Historische Räume - GIS-Einsatz - Geschichte - Karlsruhe
Historische Räume GIS-Einsatz für historische Analysen
Projekt Durlach 1766

[4] Sozialtopographie I

Die Visualisierung der räumlichen Verteilung einzelner Berufe in den Karten des vorausgehenden Kapitels lässt kein deutliches Muster erkennen. Somit sind eindeutige Aussagen zur Sozialtopographie nicht möglich.

Kategorisierung

Um dieses Ziel zu erreichen, ist sowohl bezüglich des Raumbezugs als auch bezüglich der aus den Berufsangaben abzuleitenden sozialen Daten eine Kategorisierung notwendig :
Auf diese Weise werden die Fallzahlen deutlich vergrößert, so dass die statistischen Aussagen aussagekräftig werden.

Gliederung der Berufe nach Berufsarten

Nach Roller Seite 235 - 391

Erläuterungen :

zu [1] Landwirtschaft
Roller Seite 235 - 281
Die Gemarkung Durlachs wurde mit Feldern (Getreideanbau), Reben (Wein) und Wiesen (Viehzucht, Obstanbau) genutzt. An und für sich müsste die gesamte Durlacher Bevölkerung ohne Einschränkung zu dem Kreis der Landwirtschaft-treibenden gezählt werden. Warum tritt dann der Beruf "Bauer" bzw. "Landwirt" überhaupt nicht auf ?
Der Grund liegt in den Besitzverhältnissen. Im Jahr 1768 besaßen die Bürger Durlachs (374 Personen) 87 % der gesamten Fläche des Ackerlandes, die Hintersassen, Soldaten und fürstlichen Diener dagegen nur minimale Anteile. Ein guter Teil des Landes war in den Händen der Handwerker, von denen die meisten nur nebenbei die Landwirtschaft betrieben, wohl nur zum kleineren Teil allein oder mit Hilfe ihrer Familie. Sie waren auf die Beihilfe der Taglöhner und Fuhrleute angewiesen. Wohl besaßen diese selbst etwas Land, gewöhnlich aber lange nicht genug, um ihre Arbeitskraft völlig in Anspruch zu nehmen und für ihren Lebensunterhalt auszureichen. So waren sie darauf angewiesen, jenen als Tagelöhner oder Knechte bei allen vorkommenden Arbeiten auszuhelfen oder als Fuhrleute und Fuhrknechte nur gewisse Teile der Arbeit auszuführen, während andere als Weingärtner, Gärtner, Hirten sich speziellen Produktionszweigen gewidmet hatten.

zu [2] Handwerkerschaft
Roller Seite 281 - 329
Die Handwerker waren in Zünften organisiert. In Roller Seite 284 wird für Durlach die folgenden Liste angegeben :
1 Müller | 2 Bäcker, Weißbäcker | 3 Zuckerbäcker | 4 Metzger
5 Schneider, Flickschneider | 6 Leineweber | 7 Wollweber | 8 Damastweber | 9 Seidenweber | 10 Strumpfwirker, -weber | 11 Schwarzfärber | 12 Schörber | 13 Knopfmacher | 14 Hutmacher | 15 Perückenmacher | 16 Schuhmacher
17 Rotgerber | 18 Weißgerber | 19 Sattler | 20 Säckler | 21 Kürschner
22 Zimmerleute | 23 Brunnenmacher | 24 Deichelbohrer | 25 Schreiner | 26 Orgelbauer| 27 Wagner | 28 Küfer | 29 Kübler | 30 Dreher, Drechsler | 31 Siebmacher | 32 Modelstecher | 33 Leistschneider
34 Maurer | 35 Steinhauer | 36 Ziegler | 37 Backsteinbrenner | 38 Pflästerer | 39 Tüncher | 40 Schiefer-, Dachdecker | 41 Kaminfeger
42 Schmiede | 43 Hufschmiede | 44 Kettenschmiede | 45 Nagelschmiede | 46 Waffen-,Messerschmiede | 47 Kupferschmiede | 48 Zinngießer | 49 Klempner, Blechner | 50 Schlosser | 51 Zirkelschmiede | 52 Büchsenmacher | 53 Mechaniker | 54 Groß-Uhrmacher | 55 Klein-Uhrmacher | 56 Windenmacher | 57 Feilenhauer | 58 Nadler | 59 Spohrer | 60 Gürtler | 61 Graveure | 62 Stahlarbeiter | 63 Goldschmiede, Gold-, Silberarbeiter
64 Glaser | 65 Hafner | 66 Seifensieder | 67 Lichtermacher | 68 Bierbrauer | 69 Seiler | 70 Bürstenbinder
71 Wachsbleicher | 72 Siegellackmacher | 73 Tapezierer | 74 Matratzenmacher | 75 Beindreher | 76 Buchbinder | 77 Barbiere | 78 Bader | 79 Chirurgen, Feldscher
Die drei letzten werden in die Berufsgruppe Dienstleistungen eingeordnet.

zu [3] Fabrikarbeiterschaft
Roller Seite 329 - 347

Statistik

abgeleitet aus den Berufsangaben in den Roller-Tabellen (777 Fälle)
Berufsart Anzahl Anteil
[1] Landwirtschaft 154 19.8 %
[2] Handwerkerschaft 356 45.8 %
[3] Fabrikarbeiterschaft 53 6.8 %
[4] Kaufleute, Wirte, Händler 21 2.7 %
[5] dienende Berufe 75 9.7 %
[6] Postbedienstete 6 0.6 %
[7] Ärzte, Apotheker, Krankenpfleger 11 1.4 %
[8] Militär 36 4.6 %
[9] gelehrte Berufe, Verwaltung 36 4.6 %
ohne Zuordnung 30 3.9 %

Die Daten aus der obigen Tabelle werden bestätigt durch eine Tabelle bei Roller (Seite 252):
Auf 100 Männer über 15 Jahren kamen im Durchschnitt von je 10 Jahren in den folgenden Nahrungszweigen :
Jahrzehnt bis 1710 1770 1800
Urproduktion 14.82 22.20 25.12
Handwerk 42.62 44.55 41.11
Fabrikarbeiterschaft --- 6.89 4.67
Handel 5.30 4.28 4.75
Militär 8.34 6.41 10.23
Bediente 12.39 3.68 2.29
gelehrte Berufe 12.05 7.43 5.84

Karten mit Raumbezug Haus/Grundstück

In den Karten werden für die Berufsarten [1] Landwirtschaft, [2] Handwerker, [5] dienende Berufe jeweils die Grundstücke hervorgehoben, in denen Haushalte der betreffenden Berufsart anzutreffen sind.
In der Karte 424 werden die Häuser markiert, in denen die Angehörigen der drei Berufsarten jeweils mit Mehrheit vertreten sind.

Karten mit Raumbezug Straßenabschnitt

In den obigen Karten auf der Grundlage der einzelnen Grundstücke / Häuser ist ein räumliches Muster der sozialräumlichen Verteilung nur undeutlich auszumachen. Zur verbesserung der statistischen Aussagekraft werden in den folgenden Karten die Straßenabschnitte genutzt.
In den Karten wird die Situation zur Sozialtopographie mit folgenden Indikatoren visualisiert:
  1. Maximalwert :
    zu welcher Berufsart wohnen in dem betreffenden Straßenabschnitt die meisten Haushalte ?
    kartographische Darstellung : unterschiedliche Farben für unterschiedliche Bereiche
  2. relative Darstellung der Anteile der Berufsarten in den Straßenabschnitte bezogen auf den Anteil für Durlach als Ganzes als Konzentrationsmaß KM.
    KM = L / G
    mit L = lokaler Anteil im Straßenabschnitt = Anzahl pro Berufsart / Anzahl insgesamt
    und G = Anzahl pro Bereich für Durlach / Anzahl Personen für Durlach
    KM = 1 : der Anteil im Straßenabschnitt entspricht dem Anteil für Durlach als Ganzes
    KM > 1 : der Anteil ist größer als der Mittelwert - Überrepräsentanz
    KM < 1 : der Anteil ist kleiner als der Mittelwert - Unterrepräsentanz
    Beispiel :
    Mittelwert zu [1] Landwirtschaft für Durlach als Ganzes = 19.8 %
    Anteil in einem bestimmten Straßenabschnitt = 39.6 %
    ==> KM = 2.0 - starke Überrepräsentanz
    Einsatz der Temperatur-Farbskala:
    dunkelblau (sehr niedrig) - hellblau (niedrig) - hellrot (hoch) - dunkelrot (sehr hoch)
    mit der Klasseneinteilung für das Konzentrationsmaß
    unter 0.67 | 0.67 - 1.00 | 1.00 - 1.50 | mehr als 1.50
    (Die Klassengrenzen sind relativ zum Wert 1.0 zu wählen : 2/3 -> Kehrwert = 3/2)
Karten mit den Verteilungen bez. der Berufsarten

Zusammenfassung

Die sozialräumlichen Verteilungen bezüglich der Berufsarten weisen in der Regel keine deutlichen Muster, was hohe bzw. niedrige Anteile betrifft, auf. Erkenntlich sind wenige Schwerpunkte :

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letzte Bearbeitung am 26.02.2014 | Klaus Horn