Geschichtswerkstatt

Grötzingen

Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Arbeitskreis des Heimatfreunde Grötzingen


Zeitzeugenberichte
Hans Ritzel
Handwerk - Handel - Landwirtschaft

Handwerk

In der Krumme Straße verrichtet bis etwa in die 80er Jahre ein Schmied sein Handwerk in sehr klassischer Form: Herr Jordan, klein knorrig, schwarze Haare, schwarzer Schnauzer, große Lederschürze, meist fröhlich, immer knitz, beschlug hier in typischer Manier Geile (Vorsicht: in Grötzingen ist das der Plural von Gaul!) In der rußgeschwärzten Schmiede war eine ewig lodernde Brennstelle, ein Amboss, sehr altes Gerät und ein Ambiente wie man es sich vorzustellen hat.
Leider haben die Erwerber oder Erben die Schmiede zerstört, ausgeräumt.

In der Mittelstraße gab es den Bäcker Hafner, ein richtiger Bäcker, der selbst rührte und buk. Seine verwitwete Mutter stand im Lädle und verkaufte, während der Sohn nachmittags nach getaner Arbeit auf der Knetbank, die Schuhe ordentlich ausgezogen, sein Mittagsschläfchen hielt ...( heute Aleks Backstube) .

In der ehemaligen Bismarckstraße gab es bis zum Abriss der alten Taglöhner- oder Nebenerwerbsbauernhäusle 70er/80er- noch einen echten - ja was war er?- Fassler (Küfer) oder Wagner? Jedenfalls kein Schreiner oder Zimmermann. Und dann gab es noch den Fuhrunternehmer, der bis weit in die 70er (?) noch mit seinem (n) Pferdchen(!) Bahn-Stückgut vom Bahnhof im ganzen Ort verteilte.

Bauern

Ich habe noch erlebt, dass in den 60er nebenerwerbsmäßig Ziegen im Unterviertel gehalten wurden, in der Krummen Straße jährlich die Sau gemetzelt wird , (die Mischtlach, vermengt mit Blut und Wasser lief über die im Hofpflaster offen gelegte Rinne in ebendieselbe in der Mitte der Gasse und von dort aus weiter...).
Die zum trocknen ans Scheunentor genagelten Hasenfelle waren üblich.

Im Gässle/Friedenstraße hatte der Bauer(?) Schiatti (ein außergewöhnlicher Name ) m.E. noch etliche Kühe in seinem alten Gehöft, ich denke er war der letzte seiner Zunft. Gottlob steht das Gehöft noch heute, dank einiger Intervention damals.

Handel

Der Kohlenhändler an der Verladerampe der Bahn, welche einst unter Adolf angeblich zur Panzerverladung gebaut wurde. Weg ca. Ende der 60er. Die Rampe diente noch Jahrzehnte in der Kampagne zur Zuckerrübenverladung im Herbst.

Und überhaupt: Die Mittelstraße war eine Einkaufsmeile: Oben Drogerie Seyfarth (m.E. Flüchtlinge, Witwe mit Sohn, tapfer hier neu aufgebaut). Uhrengeschäft Ruf, Raumausstatter, Blumengeschäft Borlinghaus, Haushaltwaren Bolzhauser.

Und am östlichen Ende der Kaiserstraße, heute etwa Rotes Kreuz, eine große Gärtnerei Borlinghaus. Ich meine, weiter westlich war noch ein Fahrrad-Fachgeschäft.
Bis vor wenigen Jahren gab es auch noch einen recht großen Kurzwarenhandel Heckmann, ein gut sortiertes Haus.
Nebendran das zweite Schreibwarenlädle Hufschmied, neben der legendären Hahne (Frau Hahn in der Kirchstraße). Weiter unterhalb, zwischen Kaiserstraße und den Schranken ein Schuhgeschäft! Davor die Bäckerei Gröhbühl.

Über die Schranken, gegenüber der erwähnten Kohlehandlung das Möbelfachgeschäft Lacker und wenig weiter über die Brücke noch einen Uhrenladen.
In der krummen Straße, am unteren Ende, die Milchzentrale, eine Verkaufsstätte der Molkereizentrale Karlsruhe oder etwas Genossenschaftliches?
Ecke Unterviertel/ Krumme Straße den Lebensmittelhandel Wächter. Ecke Niddastraße/ Karl-Leopold-Straße ein echtes Milch und Käsereifachgeschäft.

All diese Einrichtungen müssen so um die 60/70er-Wende verschwunden sein, altersbedingt und mangels Nachfrage. Sicher wissen ältere Grötzinger (ich bin Jahrgang 55 und 1961 nach Grötzingen gezogen) mehr und können beim entsprechenden Reizwort mehr beisteuern.

(c) Hans Ritzel, Karlsruhe, 08.12.2019


zurück zur Liste der Zeitzeugenberichte | Anfangsseite des Arbeitskreises
zuletzt bearbeitet am 10.12.2019
von Klaus Horn, EMail = k-r-horn BEI t-online.de