medizinische Versorgung
Zeitzeugenberichte
Staigstraße 13
Interview von Klaus Horn mit Herrn und Frau Dr. Sexauer am 06.02.2019
überarbeit am 08.02.2019 (Sexauer)
Bericht zu den Praxen von
Dr.med. Ernst Sexauer [Vater] (geb. 1904, gest. 1992)
und Dr.med. Ernst-Rainer Sexauer [Sohn] (geb. 1937)
Der Vater war zunächst im Diakonissen- und Städtischen Krankenhaus in Karlsruhe tätig. Er übernahm 1945 die Praxis von Dr.med. Gorenflo in der Staigstraße 17, nachdem jener bei dem Luftangriff auf Pforzheim ums Leben gekommen war. 1950 verlegte er die Praxis in die Staigstraße 13 (nach dem Adressbuch von 1937 dort wohnhaft Gustav Stuhlmüller, Reichsbahn-Ober-Inspektor).
Nach Kriegsende wurden die zukünftigen Praxisräume in der Staigstraße 13 von der französichen Besatzungsarmee beschlagnahmt; sie richtete dort Diensträume ein. Er kann sich noch gut an einen Dummen-Jungen-Streich erinnern, den er zusammen mit Freunden machte: die Buben stiegen durchs Fenster in die Büroräume ein und entwendeten dort Schokoladentafeln. Nachdem dies aufgedeckt worden war, wurde er streng ermahnt, die Älteren jedoch zur Strafe vom Frisör Simeoni (Staigstraße 1) kahl geschoren. Nachdem die Franzosen von den Amerikanern abgelöst wurden, standen die Praxisräume wieder zur Verfügung.
Die Praxis in der Staigstraße 13 (Zugang von der Straße her) bestand aus mehreren Räumen, die vorausgehend zu einer Wohnung
gehörten. Die Patienten betraten zunächst das Wartezimmer, an das sich der Empfang anschloss, anschließend das
Behandlungszimmer. Dort konnte der Vater von seinem Schreibtisch aus durch eine Tür direkt in seine Wohnung gehen.
Der Vater benutzte für die Hausbesuche in Grötzingen und Berghausen zunächst ein Fahrrad, später ein Motorrad,
ein Auto mit Holztüren und dann einen VW-Käfer. Die Patienten in Berghausen konnten in einem Privathaus eine Tafel nutzen, um Rezepte oder Hausbesuche
anzufordern. Die Abwicklung der Hausbesuche war angesichts der minimalen Kommunikationsmöglichkeit (nur wenige Privathaushalte
hatten ein Telefon) äußerst schwierig: oft mussten die Kinder, nachdem jemand in der Praxis den Ruf entgegengenommen hatte,
den Vater im Ort suchen und ihm die Nachricht überbringen.
Die Praxis in der Staigstraße 13 übernahm 1977 der Sohn.
Die Eltern zogen nach der Praxisübernahme in das obere Stockwerk.
Vorausgehend war er von 1967 bis 1977 als Stabsarzt bei der Bundeswehr (auch in Würzburg in der dortigen Universitätsklinik)
tätig. Seine Ausbildung umfasste ein breites Spektrum: Innerere Medizin, Radiologie, Gynäkologie, Sportmedizin.
In der großen Praxis wurden bis zu drei Arzthelferinnen (in Teilzeit) beschäftigt. Auch in Durlach wurden in Pflegeheimen
(am Blumentor, am Turmberg) Patienten betreut, wenn sie ehemalige Praxis-Patienten waren.
In Weingarten war er auch als Betriebsarzt tätig.
Die Anforderungen des medizinischen Notdienstes waren sehr umfangreich und anstrengend. Als Arzt war man 24 Stunden Tag und Nacht im Einsatz. In Söllingen gab es einen Wochenenddienst (Sa/So).
Er beendete 2002 mit 65 Jahren seine Praxis. Sie wurde von Dr. Struck fortgeführt, der vorausgehend bereits als Assistent in der Praxis tätig gewesen war.
Gegenüberstellung : Praxis damals und heute