Grötzingen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Arbeitskreis des Heimatfreunde Grötzingen
Projekt
Handwerk, Handel und Gewerbe in Grötzingen in den 50er und 60er Jahren
Landwirtschaft
Zeitzeugenberichte
Siegfried Heidt
Friedrichstraße 32
Interview Klaus Horn am 15.01.2019
Nebenerwerbslandwirtschaft - Feierabendbäuerle
Einträge in den Adressbüchern:
AB 1937 : Löwenstraße 19 - Gustav Heidt, Hilfsarbeiter
AB 1949 : Löwenstraße 19 - Gustav Heidt, Rebarbeiter
AB 1954 : Friedrichstraße 34 - Dorothea Heidt, Witwe
AB 1954 : Löwenstraße 19 - Gustav Heidt, Rebarbeiter
AB 1961 : Löwenstraße 21 - Dorothea Heidt, Witwe [Großmutter]
AB 1961 : Löwenstraße 21 - Gustav Heidt, Rebarbeiter [Vater 1906 - 1995]
[1] Der Besitz
[
Angabe der Größe in ar zum Stand 13.10.1981
Insgesamt 129,74 ar
ohne Angabe : Verlust vorausgehend
]
Äcker, Weinberge, Wiesen
Lage der Äcker:
Bei den Werren (nahe Werrabronn) [9,63 ar]
Lachenäcker (östlich des Viehwegs) [12,22 ar]
Gieß (östlich des Gießbachs - Gemarkung Durlach)
Am Hohen Stein (östlich des Gießbachs - Gemarkung Durlach) [6,44 ar + 5,87 ar]
Breit (heute Gewerbegebiet - Gemarkung Durlach)
Hofacker (bebaut - Durlacher Straße) [3,26 ar]
Hartmannsgärten [0,67 ar ]
Am Kegelsgrund (Froschhöhle) [5,04 ar + 13,34 ar + 1,27 ar]
Auf der Lug [14,58 ar]
Auf dem Knittelberg [19,18 ar]
Im Dammgrund (im Süden) [8,12 ar]
Dausäcker (im Süden) [3,52 ar + 4,82 ar]
Lage der Weinberge:
Am Schlangenberg (nahe Naturfreundehaus) [4,54 ar + 3,64 ar]
Alte Herrenhalden (bebaut - nahe jüdischer Friedhof) [3,60 ar]
Lage der Wiesen:
Bennenwiesen (östlich des Gießbachs)
Lißwiesen (im Brühl)
Die Entfernung der Äcker, Weinberge und Wiesen vom Hof in der Löwenstraße 21
war beträchtlich.
Karte mit der Verteilung des Besitzes in der Gemarkung:
als pdf-Grafik
Im Verlauf der Entwicklung Verlust des Besitzes durch
- Entstehung von Gewerbegebieten in Durlach und Grötzingen
- Umwandlung in Bebauungsgebiete in Grötzingen
- Entstehung der Aussiedlerhöfe Im Brühl
Verlust der Wiesen
- Umwandlung in Streuobstwiesen
Mit 85 Jahren (1991) übergibt der Vater die restlichen Gebiete an die Söhne
Erich und Siegfried.
Heute (2019) befinden sich im Besitz von Siegfried Heidt noch 4 Äcker: 2 Streuobstwiesen,
1 verpachtet, 1 wird noch bearbeitet.
Auf den Äckern wurde angebaut:
- Weizen, Hafer, Gerste
- Kartoffeln : 20 Zentner für den Eigenbedarf;
Verkauf auch an Nachbarn und Bekannte
- Dickrüben und Mais als Viehfutter
- Raps zur Ölversorgung (Produktion in der Ölmühle Benz in der Bismarckstraße 4)
- als Kuriosität : Anbau von Mohn; der Urgroßvater isst Mohnkapseln als Schlafmittel
[2] Der Hof und seine Bewohner
Löwenstraße 21
- Holzschuppen:
unten : Schweinestall, Abstellraum
oben : Brennholz
Brennholzquelle ist das "Bürgerholz", auf das jeder Bürger Grötzingens
einen Anspruch hat (dieses Recht erlosch mit dem Großvater)
- überdachter Bereich an der Wand des Nachbarhauses:
dort wurden die Wagen abgestellt
(großer und kleiner Transportwagen; umzubauen als Erntetransportwagen)
- Stall mit
- Kuh (1 oder 2)
diente als Zugtier vor den Wägen und als Milchlieferand. Die Milch, die nicht im Haushalt
gebraucht wurde, wurde an der Milchsammelstelle Krumme Straße 4a abgeliefert.
- Ziegen (2 oder 3)
- jedes Jahr ein Schwein
Schlachtung im Januar/Februar durch den Hausmetzger Franz Scherer, Friedrichstraße 15
die Schlachtung fand im Hof statt; dort wurde der Kessel und andere notwendigen Geräte
aufgestellt (Schragen - Holztisch und Mulde - Wanne zum Abbrühlen). Das Fleisch
und die Wurst wurde zur Haltbarmachung in Dosen verschlossen (hierzu eine Fachfrau tätig),
die anschließend noch 2 Stunden gekocht werden mussten.
- Kaninchen
die Felle wurden bei Emil Hurst, Kaiserstraße 40 abgegeben.
- Gänse
- Hühnerstall für 3 Haushalte mit je 10 Hühnern
Der Boden des Hofes war nur im vorderen Teil gepflastert; weiter hinten nur der gestampfte Boden.
Wegen der vielen Tiere teilweise sehr schmutzig.
[3] Die Heuernte
- Vor seinem eigentlichen Arbeitsbeginn geht der Vater am zeitigen Morgen möglichst zusammen mit Arbeitskollegen
auf die Wiese und mäht 2 -3 Stunden das Gras mit der Handsense
- anschließend wendet der Rest der Familie das Gemähte
- sobald getrocknet, wird das Heu zu Haufen zusammengetragen
- Ernte mit dem Heuwagen; die Fuhre wird mit dem Wiesbaum zusammengehalten
- Transport (Kuh) nach Hause
- im Hof transportieren mehrere Personen das Heu vom Wagen an die vorgesehenen Stellen
im Stall; sehr anstrengend (staubig, heiß)
Die Heuernte ist sehr von der Witterung abhängig.
[4] Die Getreideernte
- Das reife Getreide wird vom Vater mit der Handsense geschnitten
- Die Mutter und die Kinder nehmen das geschnittene Getreide auf, binden es zu Garben
und stellen diese auf.
- Für den Heimtransport werden die Garben auf dem Heuwagen gestapelt
- Transport zum Dreschplatz; dieser befindet sich am Ende der Karl-Leopold-Straße
(heute Kreuzung mit der Durlacher Straße)
Die Drescherei wird von August Arheidt, Kelterstraße 32 betrieben.
Die Dreschmaschine ist in der Dreschhalle stationiert.
- Die Wägen bilden eine Schlange vor der Dreschmaschine: sobald ein Wagen
fertig gedroschen ist und den Platz freimacht, wird der folgende einen Platz weiter
geschoben.
- Zum eigentlichen Dreschvorgang werden möglichst viele Familienmitglieder benötigt
(Garben vom Wagen auf die Maschine wuchten; gefüllte Säcke wechseln;
gepresstes Stroh von der Dreschmaschine auf den nun leeren Wagen transportieren)
- Transport zum Hof
- Das Stroh in den Speicher (Nutzung als Einstreu für die Tiere); das Getreide
zum Trocknen auf den Boden im Speicher der Scheune (ärgerliche Mäuseplage)
- Das Korn wird an der Obermühle in Durlach zum Malen abgegeben. Dort erhält die
Familie das Recht auf den Bezug einer entsprechend großen Menge Mehl. Dies wird
in kleinen Portionen im Laufe des Jahres zur Auslieferung angefordert.
- Als Tierfutter für die Hühner und Gänse wird ein Teil der Körner
geschrotet
Karte mit der Lage des Dreschplatzes an der Karl-Leopold-Straße
als pdf-Grafik
[5] Die Weinlese
Der Vater ist begeisterter Winzer. Im Weinberg ist immer etwas zu tun.
Beruf: Rebarbeiter in der landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Augustenberg.
Kelterei : Hermann Arheidt, Mittelstraße 5
500 Liter (?) Wein im Mittel.
Der Wein wird als Hauswein getrunken; einiges wird an Bekannte verkauft.
Der Betrieb der Eltern von Siegfried Heidt kann als typischer Nebenerwerbs-Landwirtschafts-Betrieb
in Grötzingen betrachtet werden.
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zuletzt bearbeitet am 29.01.2019
von Klaus Horn, EMail = k-r-horn BEI t-online.de