Geschichtswerkstatt

Grötzingen

Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Arbeitskreis des Heimatfreunde Grötzingen


Projekt

Handwerk, Handel und Gewerbe in den 50er und 60er Jahren


Zeitzeugenberichte
Karlheinz Kurz - Filmbühne

Interview Klaus Horn mit Karlheinz Kurz (geb. 1945) am 01.08.2019

Im Jahr 1910 wurde auf dem Anwesen des Gasthauses zum Ochsen in der Mittelstraße 28 eine Halle errichtet, um größere Veranstaltungen (auch der politischen Parteien) abhalten zu können. Man gründete den Turnverein Bahnfrei. Die Ochsenhalle diente auch dem neu gegründeten Gesangverein Freie Sängerlust, später Liederkranz. Die Halle hatte eine Bühne, die mit einem Vorhang vom Saal abgetrennt werden konnte.

Nach 1945 steht die Halle ohne Nutzung leer. Sie wird 1946/47 geschlossen.
1947/48 wird die Halle unter Beibehaltung der Raummaße in ein Kino mit 260 Sitzplätzen umgebaut. Die Leinwand ist an der Hinterseite der Bühne.
Der Betreiber ist von 1949 bis 1951 Herr Banse aus Weingarten, der dort ein weiteres Kino betreibt. Am 22.April 1949 wird die Filmbühne mit dem Film Wiener Blut, einer Operette von Johann Strauß eröffnet.

1951 übernimmt der Vater Karl Kurz das Kino (er ist Fuhrunternehmer); ab 1954/55 ist er auch der Ochsenwirt.

Die Mutter Anna Kurz geb. Hoch ist für die Verwaltung und Bewirtschaftung des Kinos zuständig. Sie erledigt die Bestellung der Filme bei den Verleihern, sitzt an der Kasse und verkauft dort die Eintrittskarten und Süßigkeiten.

Unter der Woche (mo - sa) gibt es um 20 Uhr eine Vorstellung, am Freitag auch noch um 23 Uhr eine Spätvorstellung. Am Sonntag ist um 15 Uhr der Kinderfilm, um 18 und 20 Uhr der Film für Erwachsene.
Der Ablauf einer Vorstellung ist der folgende:

  1. Werbung der ortsansässigen Firmen als Diashow mit musikalischer Untermalung von Schallplatte
  2. Wochenschau : FOX tönende Wochenschau
  3. Vorspann : Hinweise auf die Filme, die als nächste gezeigt werden
  4. Hauptfilm
Sitzplan und Preise:
0,50 DM | die vorderen Reihen ("Rasiersitze")
1,00 DM | die Reihen bis zur Mitte
1,70 DM | die hinteren Reihen

Im Saal weist die Platzanweiserin die Besucher in die richtigen Reihen. Sie ist auch für den richtigen Ton und die Helligkeit zuständig. Bei Bedarf kann sie auch Kontakt mit dem Filmvorführer im Technik-Raum aufnehmen.

1958 werden die Sitzreihen im Saal umgebaut: ab der Mitte nach hinten steigen die Reihen wegen der besseren Sehbarkeit an; außerdem werden die Rückenlehen der Sitze gepolstert.

Der Filmvorführer versieht seine Tätigkeit als Zusatz-Job; er wurde von Herrn Kurz in seine Täigkeit eingelernt.
Als Technikausstattung werden zwei Bauer-Maschinen genutzt. Eine Spule fasst den Film für 20 bis 25 Minuten. Am Ende der Laufzeit einer Spule erkennt der Vorführer das bevorstehende Ende und leitet den Wechsel auf die nächste Spule ein. Ist eine Spule abgespielt, so muss diese per Hand zurückgespult werden. Sehr selten kommt es zu einem Filmriss: dann wird der Film unterbrochen und möglichst schnell geklebt.

Einige spezielle Filme werden für die Schüler der Volksschule gezeigt, so der Film "Die Erstbesteigung des Nanga-Parbat" von Herman Buhl.

Verleihfirmen: Universa, Constantin-Film, Gloria, Ufa

Die Film-Rollen werden mittels großer Kisten am Bahnhof Grötzingen angeliefert und zurückgesandt; Anlieferung und Abtransport via Bahnhof. Hierbei muss Karlheinz Kurz mithelfen.

1958/59 wird die Technik wesentlich verbessert: es wird die CinemaScope-Breitwand-Technik eingebaut mit mehreren Lautsprechern; außerdem wird die Fläche der Landwand um 1/3 vergrößert. Als Eröffnungsfilm gibt es Ben-Hur.

Ab 1961 übernimmt Herr Banse das Kino. Durch die Konkurrenz des Fernsehens geht die Zuschauerzahl zurück. Das Kino wird 1962 geschlossen.

1962 erfolgt durch den Vater der Umbau in eine vollautomatische Volmer-Kegelbahn (mit 2 Bahnen).

Am 1.April 2005 endet auch diese Phase der Nutzung der Ochsenhalle.


zurück zur Anfangsseite der Filmbühne | Anfangsseite des Arbeitskreises
zuletzt bearbeitet am 14.08.2019
von Klaus Horn, EMail = k-r-horn BEI t-online.de