Wilhelm Walther
Lebensmittel-, Drogen-, Rauchwaren-Einzelhandel
Löwenstraße 5
Einträge in den Adressbüchern:
AB 1937:
Bismarckstraße 2 : Wilhelm Walther - Kolonialwaren + Lebensmittel, Drogen
Löwenstraße 5 : Johanna Walther - Kolonialwaren + Lebensmittel
AB 1949:
Löwenstraße 5 : Wilhelm+Johanna Walther - Kolonialwaren + Lebensmittel + Drogen
AB 1954:
Löwenstraße 5 : Wilhelm Walther - Kolonialwaren + Lebensmittel + Drogen
AB 1961:
Löwenstraße 5 : Wilhelm Walther - Kolonialwaren + Lebensmittel
Die Bezeichnung "Kolonialwaren" ist doch etwas unverständlich. In den Unterlagen des Vaters
wird als Briefkopf genutzt:
Wilhelm Walther | Lebensmittel-, Drogen-, Rauchwaren-Einzelhandel.
Unter "Drogen" ist zu verstehen: Da es in Grötzigen damals keine Apotheke gab,
durfte unser Vater folgende Artikel verkaufen:
Melissengeist, Klauber, Salz, Essig, Saure Tonerde, Motten-Kugeln, Pflaster, Togal-Tablatten u.a.m.
Das Geschäft des Vaters Wilhelm Walther (geboren 1895, gestorben 1984) war bis zur Zerstörung
beim Luftangriff 1944 in sehr günstiger Lage in der Nähe des Rathauses (Bismarckstraße 2,
heute Schultheiß-Kiefer-Straße 2). Dort ergab sich durch die Laufkundschaft eine rege Kundennachfrage.
Ab 1946 wurde das Geschäft in der Löwenstraße 5 von den Eltern geführt; dies war
eine deutlich ungünstigere Lage. Es liegt eine Bescheinigung des Landrates vom 3.Oktober 1946
mit der Weiterführungs-Betriebsnummer 281 vor.
1962 wurde das Geschäft geschlossen, der Vater ging in Rente.
Der Verkaufsraum hatte eine Größe von ca 28 qm, also die Größe eines Zimmers. Der Zugang von der Straße
erfolgte über eine Treppe. Sobald ein Kunde die Ladentür öffnete, ertönte eine Klingel;
dadurch war die Mutter bzw. der Vater informiert; er/sie wischte sich die Hände ab und ging in den Verkaufsraum,
um den Kunden nach seinen Wünschen zu fragen.
Abschließend wurde die Ware bezahlt (für die Abrechnungen
wurden Papierzettel genutzt) und das Geld in eine Schublade an der Ladentheke gelegt (eine Ladenkasse gab es nicht).
Die Schublade war aus Holz, aber schon mit Sicherheitsstiften versehen, so dass eine
Öffnung nur möglich war, wenn man die richtige Stiftkombination kannte.
Neben der Geldschublade standen Gläser mit Bonbons, die - besonders bei einkaufenden Kindern - als Kleingeldersatz dienten.
Die Kunden hatten die Möglichkeit, etwas anschreiben zu lassen - bei kleineren Beträgen
wurde davon oft Gebrauch gemacht.
Zur Verpackung der meisten offen in Schubläden und Behältern gespeicherten Lebensmittel
(Mehl, Reis, Haferflocken, Zucker) wurden verschieden große Tüten genutzt.
Besondere Gefäße standen für Essig, Öl Senf, Gurken bereit.
In einem offenen Fass gab es Salzheringe.
Empfindliche Lebensmittel wurden in einem Eisschrank gekühlt.
Stangeneis wurde von Monninger geliefert und von uns für den Gebrauch zerkleinert.
In einem Schrank gab es Aspirin und Melissengeist; dies war der Bestandteil "Drogen" bei der Angabe der Branchenzugehörigkeit.
Da der Verdienst aus dem Verkauf im Lebensmittel-Laden für den Unterhalt der Familie nicht ausreichte, waren Vater und Mutter zu zusätzlichen Tätigkeiten gezwungen. Der Vater machte drei Mal in der Woche Verkaufsfahrten (Margarine, Romadur, Limburger) in die benachbarten Dörfer, zunächst mit einen Anhänger am Fahrrad, später mit einem Pkw (Opel P4). Da auch diese Zusatzarbeiten von Vater und Mutter nicht genügend Einküfte für die Familie erbrachten, musste die Mutter hin und wieder geerbte Grundstücke in Weingarten verkaufen.
In den Jahren 1945 bis 1948 waren zusätzliche Erwerbstätigkeiten für das Überleben der Familie notwendig. Hierzu zählten der Anbau von Getreide und Kartoffeln auf Grötzinger und Weingartener Gemarkung (die Transporte erfolgten hierbei mit dem Leiterwagen, der von Familienmitgliedern gezogen wurde), das Halten von Hühnern und Hasen und einem Schwein und die Ernte von Gemüse aus dem Garten.
In dem Haus lebten 5 Familien. Alle beanspruchten im Hof Platz für einen Hasenstall, Schweinestall, Misthaufen, Brennholzstapel.
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