Geschichtswerkstatt

Grötzingen

Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Arbeitskreis des Heimatfreunde Grötzingen


Projekt

Handwerk, Handel und Gewerbe in den 50er und 60er Jahren


Betriebs-Chroniken

Petunia - chemische Fabrik

Einträge in den Adressbüchern

AB 1937
Kaiserstraße 58 - Prof. Dr. Karl Pfeiffer
AB 1954
Kaiserstraße 45 - Bäderbau - Prof. Dr. Karl Pfeiffer
AB 1961
Eisenbahnstrße 10 - Bäderbau


Grötzingens Gemeinderat besichtigt die Chemische Fabrik Petunia GmbH
Bericht in "Das Pfinztal" in der Ausgabe vom 8. Januar 1954

Die letzte Tätigkeit des Gemeinderates im Jahr 1953 war der Besuch der Chemischen Fabrik Petunia GmbH in Grötzingen auf Einladung der Geschäftsführung.
Aus kleinen Anfängen heraus wurde seit dem Jahr 1922 ein Werk aufgebaut, das dank seiner guten Führung all die Wirtschaftskrisen der Vergangenheit nicht nur gut überstand, sondern sich immer krisenfest erwies.
Die Firmenbezeichnung lässt auf das eigentliche Betätigungsfeld nicht schließen.

Die Firma verfügt über ein Architektur- und Bau-Büro, das sich mit dem Entwurf von Freibadanlagen bis zur Ausführung erstreckt. Ihm schließt sich ein Ingenieurbüro mit Apparatebau zum Entwurf und zur Aufstellung von Badewasser-Behandlungsanlgen für Frei- und Hallenbäder an, wobei neben den technischen Sondereinrichtungen das eigentliche chemische Verfahren der Algen-Verhütung (Petunia-Verfahren) hervorgehoben werden muss. Um aber die vielseitige Tätigkeit vollzumachen, ist eine chemische Abteilung vorhanden, die sich mit den Präparaten und Chemikalien zur Wasserpflege und den Prüfgeräten zur Wasserkontrolle beschäftigt.

Das Werk kam im Jahr 1931 nach Grötzingen und hatte anfänglich in der Kaiserstraße seine Betriebsstätte, bis es während des Krieges in die Fabrikräume der Firma Herrmann & Co verlegt wurde. Die fortschreitende Entwicklung erwies aber recht bald, dass für beide Firmen die Räumlichkeiten zu eng wurden und die Firma Petunia war längere Zeit bemüht, eigenes Industriegelände für sich zu erwerben. Durch das Entgegenkommen der Gemeindeverwaltung und dem tatkräftigen Einsatz von Bürgermeister Arheit konnte dem Werk in der Eisenbahnstraße Industriegelände abgetreten werden, auf dem nun eine schöne Werkanlage erstellt wurde. Dieser galt die Besichtigung des Gemeinderates, der hierbei den besten Eindruck gewann.

Den gewerbepolizeilichen Vorschriften entsprechend befinden sich in Sonderräumen die Azetylenanlage und der Prüfraum für Entkeimungsgeräte. Infolge der Sperrigkeit der großen Stahlrohre nimmt die Schweißerei einen großen Raum ein. Über die Unzahl der für eine Badeanstalt erforderlichen Rohre, Flanschen und dergleichen tausenderlei Dinge, die teilweise aus wertvollem Kupfer oder Rotguss sind, kann man sich einen Begriff machen, wenn man die fein säuberlich geordnete Lagerhalle betritt. Das Gleiche trifft für die Werkzeugausgabe zu. Hier fällte besonders auf, dass die Eigenart eines solchen Betriebes dazu zwingt, Spezialwerkzeuge nach eigenen Ideen und Entwürfen selbst herzustellen. Recht interessant sind auch jene Apparate, die ohne Wasserverlust den Grund der Bäder nach der Art eines Staubsaugers von allen Schlammteilen befreien. All diese Dinge werden von Spezialarbeitern zum Teil in Handarbeit hergestellt und wenn man sie einer näheren Betrachtung unterzieht, dann muss man feststellen, dass hier geschickte Hände Meisterwerke der Präzision hervorzaubern.

Dass die Firma, die im Sommer einen Saisonbetrieb hat, ihre Arbeitskräfte zur Winterzeit nicht entlässt, offenbart nicht nur ihre wirtschaftliche Klugheit, sondern auch ihre soziale Einstellung. Dies ging auch aus den Ausführungen von Professor Dr. Pfeiffer hervor, der darauf bedacht ist, seinen Arbeitern nicht nur einen hygienischen, sondern auch einen ästhetischen Arbeitsplatz zu geben. Nur so kann sich ein Arbeiter wohlfühlen. Der heile und luftige Maschinensaal zeigt dies deutlich.

Zu allem unterhält die Firma während der Badezeit auch noch einen Bäderkundendienst, dem weit über 100 Badeanlagen des In- und Auslandes abgeschlossen sind. Für das Bedienungspersonal der Badeanlagen hält sie jährlich einen Ausbildungskurs in Karlsruhe ab, der nicht seinesgleichen hat.

Dass ein Werk, das 60 Angestellte und Arbeiter beschäftigt, das fast die Hälfte aller neuzeitlichen Badeanstalten in Deutschland mit ihren Einrichtungen versehen hat, die zu den schönsten gehören und sich über ganz Deutschland erstrecken, seinen Wunsch nach Ausdehnung anmeldet ist verständlich. Die engen Büroräumlichkeiten, die sich noch im Gebäude der Firma Erich Herrmann & Co befinden, müssen in das eigene Betriebsgelände verlegt werden.

In der an die Besichtigung anschließenden, mit viel Humor gewürzten Aussprache schilderte Professor Dr. Pfeiffer die Entstehung der Firma und ihres Namens, der auf die Karlsruher Rathauspetunien zurückgeht und den man in aller Welt versteht. Bundes- und Landesregierung fördern den Bau von Bädern, für deren Keimfreiheit Petinia stets garantiert, weil das Baden in öffentlichen Gewässern durch deren Verseuchung mit Krankheitskeimen jeder Art eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt.

Bürgermeister Arheit dankte seinem Vorredner für die freundliche Einladung und erkannte die Wünsche des Unternehmens als berechtigt an. Der Zurückgang der Landwirtschaft in Grötzingen verlangt nun mal zwangsläufig die Ansiedlung und Förderung der Industrie, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden.


Lage des Betriebes

Karte als pdf-Datei


zurück zur Anfangsseite Betriebs-Chroniken | Anfangsseite des Arbeitskreises
zuletzt bearbeitet am 26.07.2019
von Klaus Horn, EMail = k-r-horn BEI t-online.de