Offenes Denkmal 2007
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Die Dreihundertjährigen – Durlacher Hausgeschichten
Zunftstraße 9, Durlach
"MD 1707" ließ der Hofgärtner Michael Duncke mit berechtigtem Stolz
in den Schlussstein seiner Torfahrt hauen. Er hatte das Grundstück, das er von
dem früheren Amtskeller, einem höheren Beamten, übernommen hatte, optimal
genutzt. Das Wohnhaus dehnte sich mit vier Fensterachsen der Straße entlang,
während die Torfahrt einen Innenhof und dahinter Scheune, Ställe und Schuppen
erschloss. Die Überbauung der Durchfahrt ermöglichte im Oberstock drei Räume
nebeneinander. Der Blick aus einem der Fenster dort fiel auf hochrangige
Nachbarschaft, von dem Doppelanwesen des Bürgermeisters Steinmetz bis zum
Stadtpalais des Grötzinger Krösus und fürstlichen Ökonomierates Nikolaus
von Nidda.
Dunckes Nachfolger, der Steinhauer Johann Martin Zöller, beschäftigte 1766
drei verheiratete Gesellen. Er saß im Rat der Stadt, später sogar im
"Gericht". Die Familie konnte es sich leisten, das Haus mit seinen 2
Küchen, 2 Zimmern und 3 Kammern allein zu bewohnen. Bei den Zöllers war die
Steinhauerei Tradition; ein Zöller hatte bereits beim Wiederaufbau der
Karlsburg mitgewirkt, und jetzt arbeitete der ältere Sohn schon in dem Beruf.
Um 1780 wird der Kunstmaler Ludwig Kißling als Besitzer genannt. Er hatte zuvor
in der Zunftstr. 8 unter höchst beengten Verhältnissen bei seinem Vater
gewohnt, dem Hofmaler Philipp Heinrich Kißling, Autor mehrerer Fürstenbildnisse
für das Durlacher Rathaus. Ludwig Kißling hat 1772 und 1774 die bekannten
posthumen Porträts des Stadtpfarrers Posselt und des Kirchenrats Eisenlohr
für die Stadtkirche geliefert.
Im 19. Jahrhundert wechselten sich mehrere Handwerker ab, darunter der
Schreiner Kaiser, der eine neue Werkstatt errichtete, und zuletzt der Glaser
Friedrich Liede.
1921 konnten der Landwirt und Rentner Heinrich Kraus und seine Frau Luise, die
Eltern der heutigen Besitzerin, das Anwesen erwerben. Sie betrieben allerdings
nur Kleinlandwirtschaft mit Ziegen, Hasen, Hühnern usw., doch fuhr noch
mancher Heuwagen durch das Tor.
Mit der Übernahme des Hauses 1955 durch die Tochter und ihren Mann, den
Künstler und Galeristen Schneider-Sato, begann eine völlig neue Nutzung,
nämlich für künstlerische Zwecke (Atelier, Galerie), zugleich aber auch zur
Unterbringung mehrerer Studenten, besonders im Hinterhaus. Es gab nie eine
umfassende Sanierung aus einem Guss, sondern eine lange Reihe einzelner Umbau-
oder Erhaltungsmaßnahmen. So wurden Zwischenwände entfernt, um die
erwünschten größeren Räume zu ermöglichen; dass bei den verbleibenden
Innenwänden Fachwerk und Lehmausfachung sichtbar blieben, ebenso die
Lehm-Holz-Wickel einer Zimmerdecke, galt damals als revolutionär.
Um 1970, als in Durlach noch eine krude Abriss- und Totalsanierungs-Mentalität
vorherrschte, gingen von diesem Haus Anregungen zu einem Umdenken aus. Im Hause
Schneider-Sato gründete sich der "Durlacher Ring", ein Freundeskreis
mit der Zielsetzung, hier das Bewusstsein für den Wert der historischen
Bauten und einen pfleglichen Umgang mit der geschichtlichen Bausubstanz zu
fördern. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Kampagne zur Erhaltung der abrissbedrohten
Karlsburg. Bemerkenswert ist auch die jahrelange Zusammenarbeit mit dem
Kunstunterricht am Markgrafen-Gymnasium, wodurch vielen Schülern sowohl
moderne Kunst als auch Fragen der Denkmalpflege nahegebracht wurden.
Text: Dr. Peter Güß, Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein
Durlach e. V.