Offenes Denkmal 2007
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Die Dreihundertjährigen – Durlacher Hausgeschichten
Zunftstraße 12, Durlach
Dieses dreistöckige barocke Adelspalais hebt sich durch seine Stattlichkeit
und auch durch Details wie das vergoldete schmiedeeiserne Oberlicht deutlich
von den Nachbarhäusern ab. Das Anwesen war im 17. Jahrhundert Sitz der
Herren von Wittersheim gewesen, bis es 1689 total abbrannte; nur der Gewölbekeller
blieb erhalten. Das ungewöhnlich große Grundstück ging um 1700 durch mehrere
Hände, bis es 1706 oder 1707 der adlige Grötzinger Metzger und Kannenwirt
Nikolaus von Nidda kaufte und sein Stadtpalais darauf errichtete. Nidda war
in weniger als zwei Jahrzehnten vom mittellosen Metzgersburschen zu einem
der reichsten Männer der Gegend aufgestiegen, hatte sich als Finanzmanager
beim Markgrafen nützlich gemacht und durfte den Titel „Ökonomierat“ tragen.
Da war es für ihn naheliegend, sich neben dem Wohnsitz in Grötzingen einen
repräsentativen Bau in der Residenz zuzulegen. Sein Wappen mit der
Jahreszahl 1700 ist als Kopie in der heutigen Durchfahrt angebracht.
Das Herrenhaus steht, der Modellhausvorschrift entsprechend, mit der Traufe
zur Straße. Eine Durchfahrt führt in den Hof. Von der Durchfahrt aus ist der
Gewölbekeller zugänglich, der, vom Vorgängerbau übernommen, senkrecht zur
Straße verläuft. Am Pfeiler zwischen Tor und Türe der Durchfahrt springt eine
steinerne Konsole vor zum Abstellen von Lasten oder als Aufsteighilfe aufs
Pferd – in Durlach ein Unikat, eine Übernahme von Niddas Grötzinger
„Kannen“-Tor. Hoch oben in der Giebelwand deuten rundbogige Ladeluken auf die
Nutzung des Dachstuhles als Lagerraum hin. Das Glanzstück im Innern des Hauses
ist die alle drei Stockwerke miteinander verbindende hölzerne Spindeltreppe.
Die vertikale Achse bildet ein einziger, mit einem Handlauf ausgearbeiteter
Baumstamm von fast 11 m Höhe. Er ist von den fünf erhaltenen Durlacher
Beispielen das am besten sichtbare.
Über eine offene Galerie ist das rückwärtige Gesindehaus mit dem Herrenhaus
verbunden. Sein zweigeschossiger Dachstuhl besitzt Lüftungsgauben. Den
Abschluß des inneren Hofes bildet das ehemalige Scheunengebäude.
Nidda hinterließ das Anwesen 1722 einem Neffen seiner Frau, dem Regimentsfeldscher
Friedrich Christoph Föckler. Von dessen Erben erwarb es 1747 Freiherr Friedrich
Emig von Üxküll. Üxküll war in langen Jahren markgräflichen Dienstes aufgestiegen
zum Präsidenten des Geheimen Rates und hatte in dieser Eigenschaft in der
Zeit der Vormundschaftsregierung für den unmündigen Karl Friedrich bis zum
vergangenen Jahr ziemlich selbständig die badische Politik gelenkt. Jetzt
war er 62 Jahre alt und hatte nun wohl etwas mehr Muße und Mittel, sich komfortabel
einzurichten. Wir wissen nicht, wie lange er selbst in Durlach lebte.
Spätestens 1766 war er nach Karlsruhe gezogen und ließ das Haus von seinem
„Schaffner“ und dessen Familie bewohnen.
Auch nach Üxkülls Tod 1768 blieb das Haus eine erste Adresse. Von den Üxküllschen
Erben erwarb es Esaias Dumbert, damals noch Verwalter
in Hohenwettersbach, 1808 bis 1830 aber Bürgermeister von Durlach, seit
1816 sogar mit der Bezeichnung „Oberbürgermeister“ aufgrund seiner
Verdienste. Mit großem finanziellem Geschick war es ihm gelungen, Durlach
erfolgreich durch die schwierigen Zeiten der napoleonischen Kriege zu
manövrieren.
Noch einmal taucht hier ein berühmter Name auf: 1843 bis 1848 gehörte das Haus
dem Kaufmann A. A. M. Feininger, dem Großvater eines Künstlers von Weltrang,
des Bauhaus-Malers und Professors Lyonel Feininger. Sein Vater wurde noch hier
geboren, dann emigrierte die Familie in die USA. Dabei spielte zweifellos eine
Rolle, dass ein Mitglied der Familie, der junge Ludwig Feininger, sich mit der
Waffe kämpfend für die inzwischen gescheiterte Revolution von 1848/49
eingesetzt hatte.
Mancher alte Durlacher mag auch noch den populären „Schnaps-Wagner“ zu den
Berühmtheiten zählen, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts hier lange Jahre
seinen Weinhandel betrieb. Allmählich aber geriet das Haus mehr und mehr ins
Abseits, stand zum Schluss viele Jahre leer und war vom Verfall bedroht. Anfang
der 1980er Jahre konnte es durch Privatinitiative gerettet werden. Die
Instandsetzung mit dem Einbau von Wohnungen und Büros hat zum Erhalt des für
die Durlacher Geschichte herausragend wichtigen Gebäudeensembles geführt.
Leider ging die prachtvolle barocke Innenausstattung zum größten Teil
verloren.
Text: Dr. Peter Güß, Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein
Durlach e. V.