Denkmaltag 2011 / Sakralbauten und
Friedhöfe
Evangelische Stadtkirche Durlach
Durlach, Pfinztalstraße 31
Archäologische
Grabungen
Die heutige
Baugestalt der evangelischen Stadtkirche Durlach ist das Ergebnis eines im
Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändernden und erweiternden Bauens.
Deutlich ist dies am Außenbau und vor allem am Kirchturm ablesbar. Seine
unteren Geschosse gehören, wie die romanischen Schallarkaden erkennen lassen,
zu der Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnten „ecclesia in Durlach“, während die
oberen Geschosse im Spätmittelalter hinzugefügt wurden. Der barocke Turmhelm
wurde erst 1739 unter Wiederverwendung der gotischen Außenmauern neu an den
erhaltenen Turm angefügt. Der Entwurf stammt von Domenico Egidio Rossi.
Bei
Restaurierungsarbeiten der 1960er Jahre und in den Jahren 1998 bis 1999 sind im
Inneren der Kirche Überreste der Vorgängerbauten aufgedeckt worden, die es in
groben Zügen erlauben, die komplexe Bauabfolge zu skizzieren.
Obwohl bei
Arbeiten im nördlichen Seitenschiff des heutigen Baues ein von West nach Ost
gerichteter Fundamentrest festgestellt wurde, ergibt dies zur ältesten
Baugestalt der Kirche leider immer noch kein aussagekräftiges Bild.
Deutlicher
wird dagegen der im Umriss bekannte und auch durch die Turmaufstockung fassbare
Neubau des 15. Jahrhunderts. Hier entstand, möglicherweise in Anlehnung an
Kirchenbauten der Bettelorden, ein zunächst zweischiffiger, wohl flachgedeckter
Kirchenraum mit gewölbtem, östlich anschließendem Langchor. Wie eine bereits
1960 in der Westwand festgestellte Baunaht zeigt, war ein südliches
Seitenschiff nicht ausgeführt worden. Überraschenderweise konnte 1998 ein
kleiner, gewölbter Kapellenbau mit polygonalem Ostabschluss festgestellt
werden, der im Süden an die Chorjoche anschloss und mit dem Chor in Verbindung
stand. Die neu aufgedeckten Befunde belegen die Baumaßnahmen des 16.
Jahrhunderts mit einer Verkürzung des Chores und einer südlichen Erweiterung.
Außer den
Baubefunden sind auch zahlreiche Grabdenkmäler gefunden worden: Neben mittelalterlichen
Fragmenten sind vor allem vier Grabsteine aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu
erwähnen.
Chronologie
1192/1196
Mit der staufischen Stadtgründung erste romanische Kirche inmitten des
Friedhofs; einschiffiges Langhaus von mindestens 20 m Länge an der Ostseite des
Turms, erhalten davon der nahezu quadratische, viergeschossige untere Baukörper
des Kirchturms mit romanischen Torbögen (auf der Nordseite zugemauert).
1255
Erste urkundliche Erwähnung der Kirche und eines Pfarrers in Durlach.
13.
Jh.
Stephanus- (nach anderer Leseart: Laurentius-) Patrozinium der Kirche.
Um
1400
Gotischer Umbau der Kirche: zweischiffiges Langhaus mit östlich anschließendem
Langchor (etwa doppelt so lang wie der heutige). Aufsatz der achteckigen
Geschosse auf den viereckigen romanischen Turm.
Vor
1460
Anbau der Heiligkreuzkapelle an die Südwand des Langchors (im heutigen
südlichen Seitenschiff vor dem Zugang zur Sakristei).
1464
Die Kirche (erneut) dem heiligen Stephanus geweiht.
Um
1500
Archäologisch aufgefundene Brand- und Planierschichten belegen eine größere
Brandkatastrophe in Durlach, von der wohl auch die Kirche betroffen war.
16. Jh.
Anfang des Jahrhunderts entsteht das Sandsteinkruzifix
(Schule des Nikolaus Gerhaert von Leiden), das lange auf dem Friedhof am Basler
Tor stand.
Um
1530
Bau der Hallenkirche: Verlängerung des Kirchenschiffs nach Osten, womit der
Chorraum auf seine heutige Größe reduziert wird; Abbruch der Heiligkreuzkapelle
und Bau des südlichen Seitenschiffs; die Mauern des östlichen Seitenschiffs
werden abgeschrägt. Die Kirche erhält damit ihre jetzige äußere Gestalt.
1609
Orgel eingebaut.
15./16.08.1689
Durlach wird von französischen Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688 –
1697) weitgehend zerstört; die Kirche brennt aus, Dach und Turmhelm werden
zerstört, so dass nur der untere Teil des Turms erhalten bleibt. Hölzerne
Notkirche (ab 1691).
1698
Sammlungen zum Wiederaufbau finden im Schwäbischen Kreis, im Elsass, in
Norddeutschland, Dänemark, Schweden, England, Holland und der Schweiz statt.
Erste Glocke für die Durlacher Stadtkirche erwähnt (in Stuttgart gegossen).
1698 –
1700
Wiederaufbau der Kirche nach Plänen des Rastatter Hofarchitekten Domenico
Egidio Rossi, modifiziert von Hofbaumeister Thomas Lefèbvres, durch den
Schlossbaumeister Giovanni Mazza: dreischiffige barocke Hallenkirche unter Verwendung
der spätgotischen Außenmauern; stark eingezogener Chor mit 3/8-Schluss und
Strebepfeilern auf Fundamenten des 15. Jhs. Anbau der Sakristei an der Südseite
des Chors; der Turm wird mit einem Notdach versehen.
28.08.1700
Erster Gottesdienst in der noch nicht fertig gestellten Kirche.
27.03.1701
Offizielle Wiederingebrauchnahme der Kirche am Osterfest.
1712
Neue Orgel
1739
Der Kirchturm erhält seine jetzige barocke Turmhaube (Benedikt Burtscher).
1758/1759
Neue Orgel der Gebrüder Stumm (Hunsrück) und Orgelgehäuse, Einbau der
Orgelempore.
Vor 1770
Kanzel mit reichem Rocailleschmuck, zunächst in der Karlsburg, wohl Ende des
18. Jh. in die Stadt-kirche verbracht, Stiftung von Markgraf Karl Friedrich.
1770
Einbau zweistöckiger Steitenemporen.
Um
1770
Altar, 1792 klassizistisch überarbeitet.
1779
Abbau der an der Außenseite der Kirche befindlichen Hafnerhütten, Brot- und
Metzgerbänke etc.
1785
Glocke erwähnt (A. Speck, Heidelberg).
1786/1789
Im Chorraum Bestattung der Markgrafen Karl August und Christoph, Söhne des
Karlsruher Stadt-gründers Karl Wilhelm.
Um
1790
Achteckiger Taufstein.
1792
Emporenerweiterung.
1871
Vier farbige Glasfenster im Chor eingebaut, 1875 ein weiteres an der Südseite.
1896
Neue Orgel der Durlacher Orgelbauer H. Voit und Söhne.
1917
Abgabe einer der drei Glocken.
1922
Neues Geläut mit vier Glocken (Gebrüder Bachert, Karlsruhe), von denen nur eine
den 2. Weltkrieg übersteht.
1932/1933
Kirchenrenovierung, Entfernung der oberen Emporen.
05.11.1944
Bombenangriff zerstört Teile des Daches, die Türen und Fenster, darunter auch
die farbigen Kirchen-fenster.
1951
Drei neue Glocken (Stephanus-, Paulus-, Christus-Glocke) komplettieren das
jetzt vierglockige Geläut (mit Luther-Glocke von 1922).
1955/1956
Einbau von vier farbigen Kirchenfenstern im Chor (mit Ausnahme rechts: 1999)
und an der Südseite.
1963 –
1968
Kirchenrenovierung, vor allem im Chor. Kruzifix (aus dem 16. Jh.), das nach dem
2. Weltkrieg vom Friedhof zum Prinzessenbau verbracht wurde, 1967 im Chor
aufgestellt.
1992ff.
Außenrenovierung.
1997 –
1999
Umfangreiche Innenrenovierung: im Langhaus Fund von 14 Grabstätten adliger
Personen; Ver-längerung des Chorbodens ins Schiff und Renovierung der
Stumm-Orgel von 1758/1759 durch die Firma Goll, Kreis/Luzern.
31.10.1999
Wiederingebrauchnahme der Kirche.
2002
Die aus dem 18. Jahrhundert stammenden 12
Apostelbilder, jahrzehntelang deponiert, werden nach aufwändigen
Restaurierungsmaßnahmen wieder aufgehängt.
2003
Instandsetzung des Kirchturms.
Text: Dr.
Dietrich Lutz (†), Dr. Otto Teschauer, Referat 26 für Denkmalpflege im
Regierungspräsidium Karlsruhe (Archäologie), Simon M. Haag (Chronologie)