Karlsruhe: Stadtgeschichte –
Denkmaltage 2005
Obere Mühle
Alte Weingartener Straße 37, Durlach
Obere Mühle, ca. 1900/1920
Die
Obere Mühle ist urkundlich bereits im Jahr 1479 erwähnt worden. Das heutige
Domizil der NaturFreunde ist Teil der Durlacher Stadtgeschichte und Beleg
für die Jahrhunderte alte Mühlenkultur.
Die NaturFreunde Durlach erwarben das Gebäude 1987 von der Stadt Karlsruhe,
nachdem sie ihr ehemaliges Vereinsheim, die "Bergwaldhütte" am
Zündhütle, wegen der heranwachsenden Wohnbebauung aufgeben mussten.
Feierliche Einweihung des neuen Durlacher NaturFreunde-Hauses war anlässlich
des ersten Durlacher Mühlenfestes am 5. August 1990.
Die Obere Mühle wurde zwar erstmals 1479 urkundlich erwähnt, allerdings gibt es
keine Belege dafür, dass die Bausubstanz des heutigen Gebäudes tatsächlich
noch aus dieser Zeit stammt. Vielmehr verweist das Eingangsportal mit Stabwerkrahmung
in das 17. Jahrhundert, während der auf 1753 inschriftlich datierte Schlussstein
des daneben liegenden Kellerportals in das 18. Jahrhundert weist. Belegt ist
hingegen durch Bauakten, dass die straßenseitige Giebelfassade 1893 wegen
Abtragung der Pfinzbrücke erneuert werden musste und dass das Gebäude 1927
straßenseitig um 4 Meter zwecks Ausbau der Alten Weingartener Straße
gekürzt wurde und somit wiederum eine neue Giebelfassade erhielt.
Das NaturFreunde-Haus in seiner heutigen Form besitzt 4 nutzbare Geschosse,
die ausreichend Platz für die vielfältigen Aktivitäten des Vereins bieten.
Hinzu kommt ein Gewölbekeller, den die NaturFreunde heute als Lagerraum
nutzen.
Doch bis zum heutigen Tag war es ein weiter Weg. Nachdem die letzten Mieter des
Gebäudes, ein in Durlach ansässiger Reifenhandel und zwei Familien,
ausgezogen waren, mussten die NaturFreunde bei der Sanierung des ziemlich
mitgenommenen Gebäudes, dem man seine bewegte Geschichte nicht mehr ansah,
tausende von Arbeitsstunden und viel Geld investieren.
Wichtig dabei war die Wiederherstellung des historischen Mühlencharakters.
Es wurden z.B. die ausgebrochenen Fenster wieder zusammengemauert und
die Proportionen der Fenster und Türen wieder hergestellt, wie sie zur Zeit
des Mühlenbetriebes waren. Der Mühlengang wurde andeutungsweise rekonstruiert.
Als Dacheindeckung fanden Biberschwanzziegel Verwendung. Ein mineralischer
Besenputz wurde als Außenputz gewählt. Fehlende Sandsteingewände wurden
ergänzt und Sprossenfenster eingebaut. Die Sandsteinmauern im Außenbereich
wurden ebenso mit alten Sandsteinen wieder ausgebessert.
Die Gedenktafel zur Badischen Revolution und das Mühlenwappen am Gewölbekeller
wurden ebenfalls restauriert. Im Hof wurden zwei alte vergrabene Mahlsteine
zur Erinnerung an vergangene Mühlentage aufgestellt.
Da die Mühle direkt an der Pfinz liegt, bot sich die Möglichkeit, ein Laufwasserrad
nach alter Art wieder zu installieren. Diese Idee wurde schon zu Beginn mit
in die Planungen der NaturFreunde einbezogen. Das alte und ruhende Wasserrecht
der Obermühle konnte wiederbelebt werden, und es gelang schließlich, eine 40
KW Kleinwasserkraft-Anlage zu bauen. Ein Wasserrad, wie es die Mühle im 18.
Jahrhundert besaß, wurde eingebaut. Nach langem Suchen in Archiven fanden die
NaturFreunde heraus, dass es sich hier um ein mittelschlächtiges Zuppinger
Laufwasserrad gehandelt hatte.
Obere Mühle, nach 1923
Die
Obermühle war einst eine Getreidemühle, in der die Bauern von Durlach,
Hagsfeld und Rintheim ihr Getreide mahlen ließen. Weitere Getreidemühlen
waren die Untere Mühle und die Mittelmühle. Von allen Durlacher Mühlen liegt
heute nur noch die Obermühle an der Pfinz, die Untere Mühle und die Mittelmühle
verloren mit der Verlegung der Bahnlinie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und
der Pfinzverlegung in den 1920er Jahren endgültig an Bedeutung.
Zeitweise war in der Obermühle auch ein Ölschlag, eine Lederwalke sowie eine
Lohstampfe in Betrieb. Im Jahr 1760 hatte sie drei Mahl- und einen Gerbgang mit
drei zugehörigen Wasserrädern. Zur Mühle gehörten Nebengebäude, Pferde-,
Rinder- und Schweineställe und ein Mühlengarten. Sie war, wie die beiden
Schwestern, eine Bannmühle, was bedeutete, dass die Bewohner der zum Amt
gehörenden Orte nur in diesen Mühlen mahlen lassen durften. Einige Müller
nutzten wohl diese Privilegien aus, in dem sie den Bauern nicht immer die
ihnen zustehende Menge Mehl abgaben. Jahrelange Streitereien zwischen den
Durlacher Müllern und dem Magistrat der Markgrafenstadt hatten zwischen 1705
und 1770 mehrfach die Anordnung zur Aufstellung von Mehlwaagen zur Folge.
Die Obermühle wurde 1792 in Privatbesitz versteigert. Der bisherige Stadtmüller
Johann Rudolf Märker war der erste Besitzer. Vor 1909 ging sie wieder in städtischen
Besitz über. Als letzter Durlacher Obermüller ist Anton Reichert erwähnt. Im
Jahr 1960, den Zeiten des sogenannten "Mühlensterbens", wurde der
Obermühle, wie vielen anderen kleinen Mühlen auch, die Mahlerlaubnis per
Gesetz genommen.
Viele weitere kleine Geschichten und Anekdoten ranken sich um die Obermühle,
doch am bedeutendsten sind sicherlich die letzten Tage der Badischen
Revolution 1848/49. Kanonenkugeln, die in einer Gedenktafel an der
Obermühle angebracht worden sind, erinnern an die Schlacht an der Obermühle,
wohin sich Teile der Truppen Johann Philipp Beckers zurückzogen, um sich dem
Schützenfeuer der preußischen Truppen entgegen zu stellen.
Text: Thomas Hackbusch, NaturFreunde Durlach e. V.