Offenes Denkmal 2007

Karlsruhe: Stadtgeschichte

Die Dreihundertjährigen – Durlacher Hausgeschichten

Jägerstraße 42, Durlach

 


Wo ist nun die heutige Nummer 42 einzu­ord­nen? Es war bisher ein Rätsel, was sich auf diesem recht großen Areal gleich vor dem Jägerhaus bis zum Jahr 1742 befand. Keines der Durlacher sogenann­ten Pfund­bü­cher, die alle privaten Grund­stücke verzeich­nen, gab darüber Auskunft, aber auch nicht das Verzeich­nis markgräf­li­cher Besit­zun­gen von 1720. Die Lösung enthält eine Urkunde des Generallan­des­ar­chivs von 1718. Sie besagt, dass die markgräf­li­che Hofschmiede von Durlach nach Gottesau verlegt worden sei. Die alte Hofschmiede in der Jägergasse sei für 400 Gulden an den bisherigen Hofschmied Johannes Geyer verkauft worden.

Dass hier die Schmiede für den beträcht­li­chen markgräf­li­chen Hofbedarf stand, erklärt die Größe des Hofes, um den sich außer dem Wohnhaus mehrere Neben­ge­bäu­de gruppier­ten. Auch die ungewöhn­li­che Breite der Einfahrt, die später überbaut und durch ein Hoftor verschlos­sen wurde, findet so ihre Erklärung. Dass das Wohnhaus als Steinbau, ohne Fachwerk, errichtet wurde, unter­streicht seinen Rang. Wie wichtig für den Hof mit seinen vielen Pferden diese Einrich­tung war, sieht man daran, dass schon drei Jahre nach den ersten Anfängen Karlsruhes die Schmiede näher an das werdende neue Zentrum geholt wurde.

Die Schmiede in der Jäger­straße aber blieb Schmiede. Der bisherige Schmied, Johannes Geyer, brauchte nur einen Buchstaben zu ändern: vom Hofschmied zum Hufschmied. Der Betrieb scheint floriert zu haben, jedenfalls blieb er ein Jahrhun­dert in der Familie. Als der Sohn und Nachfol­ger gestorben war, blieb der Witwe der Hausbesitz; die Schmiede übernahm der Schwie­ger­sohn Georg Adam Goldschmid. Er war ein Sohn des Schmieds Christoph Goldschmid in der Jäger­stra­ße 11. Die Großfa­mi­lie bewohnte das Haus gemeinsam: die Witwe Geyer, ein unver­hei­ra­te­ter Sohn, von Beruf Waffen­schmied, ein jüngerer Sohn, der das Weißger­ber­hand­werk erlernte, und der Schwie­ger­sohn mit Frau und drei Kindern. Zuletzt betrieb unsere Schmiede ein Johann Gottfried Goldschmid in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts.


 


Der Ausbau des Neben­ge­bäu­des auf der Rückseite des Hofes zu einem Wohnhaus dürfte in der Jahrhun­dert­mitte erfolgt sein; 1842 jedenfalls wird noch lediglich ein „Schop­fen­bau“ genannt. Der Bedarf an Wohnraum für die Arbeiter in der wachsenden Industrie machte sich auch hier bemerkbar. Das erste Adressbuch Durlachs von 1888 verzeich­net außer dem Besitzer, dem Arbeiter Johann Schweizer, zwei weitere Fabrik­ar­bei­ter und einen Schneider als Haushalts­vor­stände. Es ist denkbar, dass in dem Hinterhaus ältere Bausub­stanz integriert ist. Inter­essant ist ein in einer Bauzeich­nung als "Keller" bezeich­ne­tes Gewölbe, das sich aber fast auf ebener Erde befindet, wahrschein­lich wegen der Nähe der Pfinz. Dank seiner dicken Bruch­stein­mau­ern bewahrt es eine gleich­mä­ßige kühle Temperatur.

Man könnte meinen, dass es in dem großzü­gi­gen Areal keine Platz­pro­bleme gab. Doch ist auf der Nordseite der Durchgang gegenüber dem Jägerhaus so schmal, dass schon der Wunsch nach einer gering­fü­gi­gen Dachkor­rek­tur den Protest eines Nachbarn hervorrief und die Baube­hör­den von 1888 bis 1916 beschäf­tigte.

Um 1920 kam das Anwesen in den Besitz der Familie Semmler – Zimmer­leute, dann Fabrik­ar­bei­ter. Die heutige Besitzerin, Enkelin Johann Semmlers, des letzten Vorbe­sit­zers, pflegt und bewohnt seit vielen Jahren den alten Famili­en­sitz, den sie seit ihrer Jugend kennt.

Text: Dr. Peter Güß, Freun­des­kreis Pfinz­gau­museum – Histo­ri­scher Verein Durlach e. V.