Offenes Denkmal 2007
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Die Dreihundertjährigen – Durlacher Hausgeschichten
Bienleinstorstraße 43, Durlach
Das Haus gleicht anderen Häusern der Straße aus der Wiederaufbauzeit nach
1700 so sehr, dass man zunächst angenommen hatte, es sei auch zusammen mit
diesen entstanden, insbesondere weil es auch den seinerzeitigen Modellbauvorschriften
entsprach. Es war dann überraschend, was sich bei der Einsicht in die Archivalien
ergab.
Der erste Eintrag im Pfundbuch von Durlach aus dem Jahr 1706 ergibt, dass das
Grundstück als Hausplatz den Erben des Wolff Adam Frick gehörte, es wurde
hinten von der Stadtmauer begrenzt. Der Eintrag von 1716 ergibt, dass das
Grundstück jetzt dem Johann Caspar Minderer gehört, der Färber war und im Haus
Bienleinstorstraße 35 wohnte. Das Grundstück ist immer noch unbebaut und wird
als Haus- und Scheuerplatz bezeichnet.
Im Pfundbuch von 1742 erscheint das Grundstück als "überbauter"
Hausplatz und gehört dem Ratsherren Johann Friedrich Romann, dem auch das große
Anwesen in der Pfinztalstraße (jetzt Reformhaus) gehörte. Es handelte sich
wohl um eine provisorische Bebauung von geringem Wert, denn die Grundsteuer
wurde nicht erhöht.
In der „Renovation der Stadt Durlach“ wird 1764 vermerkt, dass der Ratsherr
Christoph Albrecht Deimling, von Beruf Säckler, der später als Handelsmann
nach Pforzheim ging, das Grundstück besaß. Es wird immer noch als Hausplatz und
Küchengarten ausgewiesen mit einer Flächenangabe von 26 4/5 Ruten, was
ca. 520 qm bedeutet. Heute umfasst das Grundstück 634 qm.
In den Feuerversicherungsbüchern von 1782 und 1802 ist kein Eintrag zu
finden, aus dem sich schließen ließe, das das Grundstück bebaut wurde. Erstmals
im Feuerversicherungsbuch von 1842 steht in der Einschätzungstabelle
unter der Lammstraße 46 (das war damals die Anschrift für die Bienleinstorstraße
43) ein zweistöckiges Wohnhaus mit gewölbtem Keller, vorherrschend aus
Stein, und ein einstöckiges Hinterhaus von Stein mit Wohnung und Stall sowie
Schweineställe.
Das Grundstück gehörte jetzt einem Ludwig Schweitzer, von Beruf Plästerer.
Aber in 1849 wird vermerkt, dass das einstöckige Hinterhaus abgebrochen und
durch ein zweistöckiges Wohnhaus mit Balkenkeller, vorherrschend aus
Stein, ersetzt wurde. Für Vorder- und Hinterhaus werden fast gleiche Versicherungswerte
genannt.
1885 wird das so bestätigt, zusätzlich zum Vorder- und Hinterhaus wird ein
Bauplatz und ein Garten benannt. Aus obigen Einträgen könnte man Folgendes
schließen:
Das heutige Gebäude entstand mit seiner Fassade zur Bienleinstorstraße nach
1802, aber vor 1842 - vielleicht im 1. oder 2. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.
Es wurde also ca. 120 Jahre nach dem Brand von 1689 errichtet - und zwar genau
nach der Modellbauverordnung von 1698 oder den Planvorgaben von Lefèbvre
von 1703.
Es entstand aber wahrscheinlich zunächst nur ein Gebäude von ca. 5 m Tiefe,
das einen längs zur Straße verlaufenden Gewölbekeller hatte. Dieses wurde
dann 1849 zum heutigen Gebäudekomplex nach hinten um weitere ca. 5 m
erweitert.
Im Adressbuch 1888 wird das Grundstück unter Lammstraße 39 geführt und gehört
dem Maurermeister Gustav Schweizer, er hat es als Mietshaus für 12 Parteien
genutzt.
Im Adressbuch 1906 erhält das Grundstück seine endgültige Hausnummer - die 43
- ist aber immer noch Lammstraße.
Gustav Schweizer, nunmehr Privatier, ist immer noch Besitzer und vermietet das
Haus an 15 Parteien. Um diese Zeit muss Gustav Schweizer, der ja Maurermeister
war, das Haus nochmals umgebaut und verändert haben. Es wurde auch durch
Einziehen von Innenmauern stabilisiert. Dabei wurden wohl auch neue
Türzargen und Gewände mit Jugendstilelementen eingebaut. Auch der ebenfalls
noch vorhandene geflieste Küchenboden könnte um diese Zeit entstanden sein.
Der Maurermeister Ludwig Schweizer hat dann 1953 das Anwesen an die Eheleute
Rolf Stumpf verkauft, von denen es der jetzige Eigentümer Wolfgang Michalowsky
gemeinsam mit Frau Ursula Wehrsig 1984 erwarb.
Wolfgang Michalowsky und Ursula Wehrsig sanierten 1985/1986 das Anwesen
vollständig. Dies geschah auch im Rahmen des Städtebauförderprogramms und
der Altstadtsanierung Durlach unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten.
Hierbei wurde der Innenhof entkernt, der im Laufe der Jahre zu einem Garagenhof
verkommen war. Es entstand ein Hinterhofgarten, der im Rahmen eines Wettbewerbs
der Stadt Karlsruhe 1986 prämiert wurde.
Text: Wolfgang Michalowskysen