Offenes Denkmal 2007
Die Bebauung des Zwingers
Amthausstraße 27/Am Stadtgraben 7, Durlach
Es waren die vornehmen Herrschaften, überwiegend hohe Hofbeamte, die der Herrenstraße – heute Amthausstraße – den Namen gaben. So gehörte etwa das Nachbarhaus zur Linken dem Hoffaktor Fein, später dem Leibarzt Dr. Close. Die Grundstücke von hier bis zum Baslertor waren ungewöhnlich groß; gut 20 m tief, stießen sie hinten an die Stadtmauer. Dahinter zog sich zwischen innerer und äußerer Mauer der unbebaute städtische Zwinger. Diese Lage macht bis heute den Reiz des Hauses Nr. 27 aus. Bis ins 19. Jahrhundert bildete das Grundstück mit Nr. 29 zusammen ein Anwesen.
Hier ließ der in Stuttgart lebende Kaufmann Reinöhl um 1710
statt des 1689 abgebrannten Vorgängerbaus ein Wohnhaus und eine Scheune
errichten. Rechts davon (heute Nr. 29) blieb Platz für die Einfahrt und ein
Nebengebäude. 1745 erwarb das Anwesen der Präsident des Geheimen Rates,
Freiherr von Üxküll. Dieser war als Regierungschef während der Unmündigkeit
Markgraf Karl Friedrichs damals auf der Höhe seiner Macht und wohl auch seiner
Einkünfte. Sein Kapital legte er in Durlacher Immobilien an: zwei Jahre später
kaufte er das stattliche Anwesen in der Zunftstraße 12, das noch heute unter
seinem Namen bekannt ist, und 1752 das Doppelgrundstück Amthausstraße 31/33.
Nach ihm gingen die Grundstücke Amthausstraße 27 bis 33 an den markgräflichen
Mundkoch Christian Dell; sein Beruf gehörte damals in Durlach zu den einträglichsten.
Gegen 1800 allerdings waren die Zeiten der Residenzherrlichkeit endgültig
vorbei; die Grundstücke, ja sogar die Häuser wurden mehrfach geteilt, und
statt herrschaftlicher Kutschen rumpelten nun die Wagen von Landwirten und
Handwerkern in die Höfe.
Angesichts des zunehmend beengten Raumes lag es nahe, den inzwischen militärisch
nutzlos gewordenen Zwingerstreifen dazuzuerwerben und zu überbauen.
Friedrich Rittershofer, Eigentümer von Nr. 27/29, stellte 1803 zusammen mit
Nachbarn einen solchen Antrag. Doch die Stadtverwaltung zog es vor, die
Zwingerparzellen regelmäßig zu verpachten, denn in der windgeschützten
Südlage gediehen Kraut- und Salatsetzlinge so gut wie nirgends sonst. Erst
1821 hatte ein zweiter Vorstoß des neuen Eigentümers, des Maurers Christof
Altfelix, und seiner Nachbarn Erfolg: sie durften die Zwingerabschnitte zum
vierfachen Schätzpreis erwerben und dann überbauen.
Der Wohnraumbedarf in der Zeit der Industrialisierung und die Vererbungsgewohnheiten
führten zu immer neuen und unübersichtlichen Teilungen. Nach einem Brand
1877 wurden wenigstens Nr. 27 und 29 sauber getrennt. 1806 lebten in Nr. 27
außer dem Besitzer, dem Werkführer Friedrich Sauerländer, sieben Parteien!
Die auffälligste bauliche Veränderung des 20. Jahrhunderts ist die Neuorientierung
zum Stadtgraben hin – der heute natürlich keiner mehr ist, sondern nur der
Name des dort befindlichen Fußweges – mit einer zweiten Haustür nach dieser
Seite (früher undenkbar!) und sogar einer entsprechenden Adresse.
Bei der 1995 abgeschlossenen Renovierung wurden nicht nur zehn Eimer voll
Keramikscherben im Zwingerbereich ausgegraben, sondern zahlreiche Spuren
der Bautätigkeit aus vier Jahrhunderten aufgedeckt und sichtbar gemacht.
Text: Peter Güß, Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein
Durlach e. V.