Offenes Denkmal 2007
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Die Dreihundertjährigen – Durlacher Hausgeschichten
Amthausstraße 23, Durlach
Wer hier Authentisches aus der Zeit um 1700 erleben will, darf nicht beim
Haus verweilen, sondern muss sich gleich dem hübschen, romantischen Gärtchen
zuwenden. Zwar umfasst es nur noch ein Fünftel des damaligen Gartens, der im
Süden bis zur Stadtmauer reichte und im Norden bis zur Straße, aber es besteht
kein Zweifel, dass in der Zeit vor dem Brand von 1689 die feine Gesellschaft
der Feins, der reichen Handelsleute, hier im Grünen lustwandelte und später,
nach Errichtung seines Hauses 1706, der markgräfliche Leibarzt Dr. Klose mit
seiner Familie. Falls er selbst kein Gartenkenner gewesen sein sollte, konnte
er sich Anregungen holen bei seinem Freund und Patienten Nikolaus von Nidda,
dessen berühmten Blumengarten in Grötzingen er gerne besuchte.
Aber was ist mit dem Haus, durch das wir eingetreten sind? Das gab es nicht,
noch lange nicht. Denn bis ins 19. Jahrhundert gehörte das heutige Grundstück
Nr. 23 als Gartengelände zu Nr. 25, dem schönen, großen, leider noch nicht zu
Ende renovierten benachbarten Barockhaus. Der gesamte Komplex – ein
Filetstück nennt man so etwas heute – gehörte vor dem Brand den Feins, im 18.
Jahrhundert Dr. Sigmund Klose junior, dann seiner Schwester, der Frau Pfarrer
Waag, seit etwa 1760 dem reichen Totengräber Hans Jerg Schenkel (er besaß
mehrere Häuser) und 1802 noch dem Waffenschmied Jakob Schenkel.
Als selbständige Adresse, damals Herrenstr. 24, mit eigenem Besitzer – dem
Schreiner Wilhelm Kuhn – erscheint das Haus zum ersten Mal im Feuerversicherungsbuch
von 1842. Zu dieser Erbauungszeit passen die klassizistischen Elemente im
Eingangsbereich. Überhaupt ist das Haus bei aller Beengtheit großzügig und
mit Sinn für Stil gebaut. Das zeigt sich z. B. an der schwungvollen
Holztreppe im Innern, aber auch daran, wie sich die Fassade harmonisch zwischen
ihren älteren Nachbarn in die Straßenkrümmung fügt. Auch die Größe des Kellers
ist keine Selbstverständlichkeit.
Seit den 1860er Jahren ist für einige Jahrzehnte Besitzerin Frau Henriette
Rau, die Witwe des Schwanenwirts. 1891 verkaufen ihre Erben das Anwesen an
den Eisendreher, später Werkmeister Karl Friedrich Theurer. Seit damals ist
es im Besitz derselben Familie. Der heutige Eigentümer ist ein Enkel Karl
Friedrich Theurers.
Nicht verschwiegen werden soll ein etwas anrüchiges Kuriosum aus der Zeit der
Witwe Rau, war es doch den Beteiligten einen achtseitigen Eintrag im
Grundbuch wert. Zwischen den beiden Häusern Nr. 23 und 25 gibt es, wie in
Durlach üblich, einen schmalen sogenannten Winkel, der in diesem Falle ganz
zum Grundstück Nr. 25 gehört. Im Jahre 1867 erkaufte sich Frau Henriette Rau
von ihren Nachbarn, dem Ehepaar Soldner, das Recht, in diesem Winkel an ihrem
Haus einen "Doppelabtritt" errichten zu lassen. Die Nutzung war
freilich eingeschränkt durch die Bestimmung: "Der Dungertrag gehört dem
Besitzer des Soldner´schen Hauses, welcher für regelmäßige Entfernung zu
sorgen hat." Das scheint über 100 Jahre so funktioniert zu haben. Als um
1980 das zweistöckige Bauwerk entfernt wurde, hatten die Bewohner von Nr. 23
ein Problem in Gestalt von zwei türgroßen Löchern in der Hauswand. Wie es
gelöst wurde, ist zu besichtigen.
Text: Dr. Peter Güß, Freundeskreis Pfinzgaumuseum - Historischer Verein
Durlach e. V.