Durlach - Wirtschaftsgeschichte

Zeitzeugeninterview - 01

Bäckerei Sauder in der Zunftstrasse 22

Meine Eltern hatten von 1947 bis 1957 die Bäckerei in der Zunftsstraße 22

Im Vorderhaus war der Laden, wo überwiegend Backwaren, aber auch andere Lebensmittel verkauft wurden. Im Zwischengebäude waren die Unterkünfte der Gesellen und Lehrlinge. Die Lehrlinge nannte man damals noch Stifte. Im Hinterhaus befand sich die Backstube. Der Ofen wurde, wie damals üblich, vorrangig mit Briketts beheizt. Das Kamin ist heute noch vorhanden. Vor dem Ofen befand sich das Fußloch. Das war eine Vertiefung von ca. 1 qm (ca. 60-80 cm tief) und diente dazu, dass man die unterste Ofenfläche ohne sich zu bücken, bedienen konnte.

Über den kleinen Hof des Hinterhauses erreichte man das Kohlenlager, daneben befanden sich Stallungen für Schweine. Unmittelbar daneben war ein relativ großer Garten, eingefasst von einer ca. 2 Meter hohen Mauer, die bis heute in ihrer ursprünglichen Form noch erhalten ist. Neben der Bäckerei wurde von meinen Eltern auch der Garten bewirtschaftet. In den Stallungen wurden ständig 2 bis 3 Schweine gehalten, die unter anderem auch mit nicht verkauften, trockenen Backwaren gefüttert wurden.

Über der eigentlichen Backstube befand sich die sogenannte Mehlkammer. Mittels eines Aufzuges wurden damals die 2 Zentnersäcke hochgezogen und dort die Mehle gemischt. Durch ein großes, elektrisches Mehlsieb kamen dann die Mehlmischungen direkt in die Backstube zur weiteren Verarbeitung. Morgens wurde generell um 2 Uhr, von freitags auf Samstag wurde um 11 Uhr mit der Arbeit begonnen. Eine geregelte Arbeitszeit gab es nicht, 12 Stunden täglich waren es aber meistens.
Für die damalige Zeit hatten wir schon einen modernen Nudelautomaten, mit dem mehrere Nudelsorten hergestellt werden konnte.

Neben dem Verkauf im Laden hatte man auch noch sogenannte Lieferungen; d. h. Kunden wurden mit Brot und Brötchen beliefert. So musste ich schon im Alter von 10 Jahren jeden Morgen mit einem Korb (genannt Krätz, heute Kiepe) auf dem Rücken mit dem Fahrrad Brötchen ausfahren. Das ging so von statten, dass jeder Kunde gekennzeichnet Stoffsäckchen hatte, die morgens befüllt an die Türklinke gehängt wurden, die leeren vom Vortag wurden zurückgenommen für den nächsten Tag. Am Nachmittag, nach der Schule wurde das Brot ausgefahren. Es ist mir noch bekannt, dass ein 1Kg Kommissbrot einst 49 Pfennig kostete. Wenn der Kunde nicht gleich bezahlte, wurde alles im sogenannten Lieferbüchlein notiert und mit der Lieferung am Samstag wurde dann kassiert. Trotz der damals schlechten Zeiten, sprang für mich immer ein schönes Trinkgeld heraus, mit dem ich mir kleine Wünsche erfüllen konnte.

Auch im Ladengeschäft war es üblich, dass angeschrieben wurde. Manche Kunden bezahlten dann, wenn sie den nächsten Zahltag bekommen hatten. ( Bei vielen Firmen war der Zahltag wöchentlich und die Entlohnung wurde in bar ausbezahlt, mittels sogenannten Lohntüten.)

Einige Zeit später wurde ein Fahrradanhänger mit geschlossenem Holzkasten angeschafft. Damit bin ich oft morgens vor der Schule schon hoch zum Turmberg gefahren und habe Brötchen und Brot ins Altenheim (heute Villa Schmieder) und zum Schützenhaus gebracht. Bei schlechtem Wetter und unter Voraussetzung dass das Turmbergbähnle fuhr, durfte ich auch diese benutzen. Fahrer er Turmbergbahn war damals der allen Durlachern bekannte Haudich-Karle.

Die Firma Mohr in der Kleinbachstraße wurde von uns auch mit Backwaren beliefert. In den Schulferien war es meine Aufgabe, mit dem Korb durch die Firma zu gehen und die Arbeiter suchten sich ihr Vesper aus.

Zu damaliger Zeit war es noch üblich, dass alle Schüler für die Pause ihr Vesper mitbrachten. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass wir oftmals unser Vesper getauscht haben. Vom Sohn des Metzgermeister bekam ich ein Stück Wurst, er von mir dafür ein en Weck oder eine Brezel.

Im Geschäft selbst war es mit der Haltbarmachung der Lebensmittel nicht so einfach. Einen Kühlschrank in der heutigen Form gab es nicht. Unsere Kühlschränke wurden noch mit Stangeneis gefüllt, das wir 2 Mal in der Woche von der Firma Moninger geliefert bekamen, damals noch mit einem Lastwagen mit Vollgummibereifung. Andere Lebensmittel, die nicht so sehr empfindlich waren, wurden im kühlen Keller gelagert.

Am Sonntag ist man manchmal zum Kundschaft-Essen gegangen. Das heißt, man ist in die Lokale zum Essen gegangen, die man mit Backwaren belieferte.

Zum Einkaufen ging man in die nahe gelegenen Geschäfte oder in die Geschäfte denen man sich verpflichtet fühlte, weil sie bei uns auch Kunde waren. Milch und Sahne wurde noch mit der Milchkanne im nahe gelegenen Milchladen geholt. Wurst und Fleisch kaufte man in den Metzgereien die auch von uns mit Backwaren beliefert wurden. Bekleidung und Schuhe erwarb man selbstverständlich in Durlach. Der Schuhmacher war auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Für uns Kinder war die Straße noch ein Paradies. Autos fuhren nur wenige und wir konnten noch auf der Straße gefahrlos herumtollen und vor allen Dingen konnten wir Fußball spielen und das ohne dass uns die Anwohner davonjagten. An unserer Bäckerei war eine Gaslaterne angebracht, die abends von einem städtischen Angestellten mittels eine langen Stange angezündet wurde und die wir manchmal aus jugendlichem Blödsinn mittels einer langen Bohnenstange mit Haken wieder löschten. Im Winter war das sogenannte und zugefrorene Straßengräbele immer etwas besonders. Zum Schleifen war die Eisfläche immer ein unterhaltsamer Zeitvertreib. Zum Schlittenfahren ging man auf den Turmberg, wo man an mehreren Stellen richtig fahren konnte.

18.03.2016 | Jürgen Sauder


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K. Horn 08.06.2016 EMail = k-r-horn BEI t-online.de