Geschichtswerkstatt

Zeitzeugeninterview - 08

Rittnertstraße 12

Immer wieder gingen mir die Durlacher 50er Jahre durch den Kopf, einmal wegen der Fotos meines Vaters, die ich an Verwandte geschickt hatte, aber dann vor allem weil ich anfing zu überlegen, wo wir damals eingekauft hatten. Wahrsscheinlich bringen meine Erinnerungen nicht viel, ich weiß ja nicht mal mehr Namen, aber mich brachten sie viel mehr zurück in die Zeit als nur die Geschäfte.

Unsere erste Adresse war Rittnertstraße 12 (an der Ecke, wo dann der Strählerweg reingeht und gegenüber die Fechtstraße). Die zweite, Geigerbergstraße 12, zufällig dieselbe Hausnummer. Wir zogen aus Clausthal-Zellerfeld um, mein Vater war dort an der Bergakademie. Von Clausthal folgte er einem Ruf an die TH Karlsruhe, als o.Professor für Theoretische Mechanik und mechanische Schwingungstechnik. Sein Vater war Lehrer für Latein und Griechisch, am Seminar in Maulbronn und später Urach, wo er schließlich Leiter war. Dessen Vater wiederum war ev. Theologe in Württemberg. Also eine mittel- bis gutbürgerliche, von der Herkunft meines Vaters her bildungsbürgerliche Familie

Ich will von ein paar Erinnerungen erzählen, die allerdings sehr persönlich sind. Die eigentliche Zeit dafür waren die Jahre von 1953, als wir nach Durlach zogen, bis 1956, als wir von der Rittnertstraße wegzogen.

Da wurden wir Kinder natürlich immer mal schnell zum Einkaufen geschickt, und der wichtigste kleine Laden war die Molkerei oder das Milchgeschäft unten am Ende der Rittnertstraße, fast wo sie in die Badener Straße geht. Leider habe ich den Namen der Frau vergessen, die für uns ein Original war. Man kam mit eigenen blechernen Milchkannen und sie füllte sie mit ihrer Pumpe unter dem Ladentisch auf. Ich glaube man konnte auch noch andere Kleinigkeiten im Zusammenhang mit Milch da kriegen. Später kamen wir mit Milchflaschen, die oben mit einem Pappendeckel zugemacht wurden, und dann verkaufte sie die Milch selber in Flaschen. Aber weit entfernt noch von den späteren Papptüten!

Ein anderes für uns sehr wichtiges Geschäft, Ihr werdet es kaum glauben aber es war so, war der Fleischer, der auf Pferdefleisch spezialisiert war, der muss irgendwo Blumentorstraße/Pfinzstraße gewesen sein, ich bin da regelmäßig einkaufen gegangen, meistens habe ich Pferdefleischrouladen und Fleischwurstringe geholt. Auf die Weise konnten wir mehr Fleisch haben, es war ja viel billiger, und ich kann mich nicht erinnern, dass es nicht gut geschmeckt hatte, fleischhungrig wir ich damals sowieso war. Es hatte eine etwas gelblichere Farbe und schmeckt etwas süßlicher als z.B. Rindfleisch. Auch hier habe ich den Namen vergessen.

Ein wichtiges Geschäft war der Schreibwarenladen schräg gegenüber dem Markgrafengymnasium, wo wir die Schulbücher kauften und, noch wichtiger, die Papierbögen um sie einzuschlagen, ich weiß heute noch wie lästig ich das am Anfang jedes Schuljahrs fand.
Und ein Schreibwarengeschäft, ein ganz kleines könnte noch an der Pfinztalstraße gewesen sein, kurz bevor sie die Kurve nach oben macht, es könnte Zachmann geheißen haben (das ist der Nachname einer Mitschülerin, in die wir damals alle verliebt waren; sie wechselte dann nach Karlsruhe. Sie hatte aber nichts mit dem kleinen Schreibwarenladen zu tun, und vielleicht spielt mir hier der Name einen Streich).

Ansonsten gab es damals noch kleine Kolonialwarenlädchen, eins muss hinter der Pfinztalstraße in einer kleinen Nebenstraße gewesen sein, da ging ich auch regelmäßig hin. Einmal am Anfang, ich weiß nicht mehr was ich kaufen sollte, ja alles nur mit Auftrag, da rechnete der Mann alles zusammen und ich machte die Augen groß auf und sagte: meine Mutter hat drei Kinder, und da machte er es billiger. Als ich das meiner Mutter erzählte, war ihr das äußerst peinlich, aber damals konnte ich sowas noch, mit meinen 12 Jahren.

Später, da waren wir schon in der Geigersbergstraße, kauften wir sowas im Kaisers Kaffeegeschäft ein, in der Hauptstraße, ich war da zuletzt noch mit meinem Vater, als meine Eltern noch in Durlach wohnten. Von der Geigersbergstraße aus ging ich dann regelmäßig den Schlössleweg runter die Marstallstraße weiter bis zur Pfinztalstraße, da war an der Ecke ein Fischgeschäft. An Sylvester musste ich da sehr früh schon hin, um den obligaten Karpfen noch zu kriegen. Ich weiß noch die Frau ärgerte mich, weil sie mich immer als Mädchen anredete, wegen meiner in die Stirn fallenden Haartolle. Es waren eben die seligen 50er!

In der Pfinztalstraße weiter Richtung Karlsruhe gab es ein Schuhgeschäft, das noch wichtig war, ich glaube es hieß Morlock oder so ähnlich, oder waren es sonst noch Anziehsachen, jedenfalls Schuhe brauchten wir oft.

Ich hatte mal die Idee, die Geschichte meiner Kindheit und Jugend allein aus der Abfolge der in den 50ern aufkommenden Warenmarken zu entwickeln, Blendax, Salamander usw., sie hatten ja alle auch ihre speziellen Kinder- und Jugendprogramme (der Blendax-Max oder Lurchi, unsere engsten Vertrauten!), der Siegeszug des Kapitalismus über die kindliche Seele, er hat ja dem Kind seine Selle gleich viel besser mit produzieren können. Von gar nicht zu überschätzender Relevanz.

Weiter kann ich gar nichts besonderes mehr erzählen, denn sehr bald fuhren wir immer nach Karlsruhe zu einkaufen, und auch ich fuhr für meine Bastel- und Malsachen usw. dann allein nach Karlsruhe.

Kein Geschäft, aber eine Praxis, das war ja fast das allerwichtigste für uns alle die Jahre, war der Dr. Maurer, ich meine er hatte die Praxis auch in der Pfinztalstraße, gegenüber dem Fischgeschäft, wo die Marstallstraße raus kam. Darunter dürfte die Apotheke gewesen sein. (Eine andere Apotheke war glaube ich weiter oben, mehr in der Nähe des Gymnasiums, da ging ich regelmäßig hin, um den Alkohol zu besorgen, den meine Oma brauchte, um sich Eierlikör herzustellen, und später kaufte ich da die Bestandteile für Schwarzpulver). Ich war aber selten da, weil Dr. Maurer zu uns immer zu Hausbesuchen kam. Der verdiente wohl ein ganzes Kapitel für sich, eine Durlacher Institution. Einmal versuchte er meine Mutter zu beruhigen, weil sie sich aufregte, dass ich so schlecht in der Schule war (eine sechs in Latein z.B.), und daher habe ich den bekannten Spruch behalten, ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss. Und vieles andere.

Damit kann man sachlich nun gar nichts weiter anfangen, es waren aber für mich so die regelmäßigen Einkäufe.

09.08.2016 | Dieter Mettler, Wuppertal


zur Anfangsseite Geschichtswerkstatt


zuletzt bearbeitet von Klaus Horn am 09.08.2016 | k-r-horn BEI t-online.de