Peter
Bratzel, Karlsruhe
Sozialräumliche
Organisation in einem komplexen Faktorensystem
Dargestellt
am Beispiel der Sozial- und Woirtschaftsstruktur von Karlsruhe
Heft
53
Karlsruher
Manuskripte zur Mathematischen und Theoretischen Wirtschafts- und Sozialgeographie
Oktober
1981
Seite
13-17
KURZFASSUNG
Die räumlichen Grundmuster der Städte sind ein Abbild der sozialen
und funktionalen Differenzierung unserer Gesellschaft. Basierend auf dieser
Aussage läßt sich die übergeordnete Zielsetzung dieser Arbeit ableiten:
Die inhaltliche Erarbeitung und die räumliche Darstellung von
Grundmustern menschlicher Tätigkeiten und Verhaltensweisen im städtischen Raum
im Rahmen eines komplexen Modells.
Ausgangspunkt
und theoretische Grundlagen der Analyse sozialräumlicher Stadtorganisation
sind Modelle zur sozialen Schichtung der Gesellschaft (vertikale Schichtung),
die zu einem Regelkreis 'Soziale Schichtung - Soziale Segregation' (Abbildung
2(3)) erweitert wurden, um die Konkurrenzen um Standorte im Raum und den
daraus resultierenden horizontalen Schichtungsaufbau zu erklären.
Diese
status- resp. schichtenspezifische Verteilung der Bevölkerung in einer Stadt,
die aus einer spezifischen Lebens- und Organisationsform der Gesellschaft
resultiert, einem Wertesystem (Hierarchie), dem diese wiederum ihre Existenz
verdankt, beruht einerseits auf der Statusfixierung der Menschen, andererseits
auf deren jeweiliger Stellung im Lebenszyklus. Sozialstatus und Lebenszyklus
sind somit zwei komplexe, die Sozialraumstruktur steuernde Dimensionen.
Die
in dieser Arbeit formulierten Hypothesen zur sozialräumlichen Differenzierung
der Stadt gehen von der Existenz der in zahlreichen faktorenökologischen
Studien nachgewiesenen Grunddimensionen aus und ordnen ihnen ein spezifisches Raummuster
(konzentrische und sektorale Gliederung) zu. Entsprechend dem hier verfolgten
Ansatz der funktionalen Schichtungstheorie gilt es, die inhaltlichen
Strukturen sozialer Schichtung aufzuzeigen und nachzuweisen, daß sich die
sozioökonomischen Strukturen städtischer Räume auf im wesentlichen zwei
komplexen Dimensionen abbilden lassen, deren räumliche Ausprägungen mit den
morphologischen Stadtmodellen von BURGESS und HOYT beschrieben werden können
(Hypothesen (H 1) - (H 12)).
Die
Analyse der wirtschaftsräumlichen Organisation der Stadt stützt sich zunächst
auf die Anwendung der Theorie der zentralen Orte auf den innerstädtischen
Bereich mit dem Ziel, ein Muster intra-urbaner Standorthierarchien zu
erarbeiten. Der CHRISTALLERsche Ansatz wird dahingehend erweitert, daß neben
seiner Anwendung auf innerstädtische Strukturen die innere Differenzierung der
Stadt, deren hierarchische Ordnungsmuster, auch auf der Basis der Verteilung
von Versorgungs- und Produktionsstandorten erfolgt.
Wie
die Analyse bisheriger Untersuchungen zu innerstädtischen Standortstrukturen
zeigte, unterlagen diese erheblichen Einschränkungen in inhaltlicher und
räumlicher Hinsicht, da immer nur spezielle Sachverhalte und ausgewählte
Teilräume der Stadt analysiert wurden. Bei dieser Untersuchung werden die
inhaltlichen und räumlichen Strukturen wirtschaftsräumlicher Organisation
unter Berücksichtigung eines größtmöglichen Differenzierungsniveaus aus der
Struktur des gesamten Untersuchungsraumes erarbeitet.
Ist
es bei der Sozialraumstruktur im wesentlichen die schichtenspezifische,
zentrifugale Bevölkerungsverlagerung, steht bei der Analyse der
Wirtschaftsraumstruktur die zentripedale Komponente der Citybildung im
Vordergrund. Unterschiedliche Variationen bei den oberen und unteren Grenzen
der Reichweiten von Gütern und Funktionen führen zu Prozessen der Konzentration
und funktionalen Segregation, die einhergehen mit Flächennutzungskonkurrenzen
und Standortverlagerungen.
Die
erarbeiteten Hypothesen zur wirtschaftsräumlichen Differenzierung der Stadt
tragen einerseits diesem Verdichtungsprozeß, andererseits der funktionalen
Vielschichtigkeit der Stadt Rechnung, aus denen sich ein hierarchisches
Standortsystem unterschiedlicher Funktionstypen ableiten läßt, das eine
konzentrische Raumstruktur mit sektoraler (axialer) Überlagerung abbildet
(Hypothesen (H 13) - (H 22)).
Diese
problemorientierte Stadt- (raum-) strukturanalyse versteht sich als Analyse
räumlicher Verbreitungs- und Verknüpfungsmuster der Standorte von Individuen
und Gruppen von Individuen sowie unterschiedlichen Nutzungen, welche
untereinander ein komplexes Beziehungsgefüge bilden. Es soll also
herausgearbeitet werden, daß die verschiedenen Handlungsziele der
unterschiedlichen Flächennutzer nicht unabhängig voneinander verfolgt werden
und somit nicht isoliert betrachtet werden können. Die schichten- resp.
nutzungsspezifischen Verhaltensweisen beinhalten vielfache Interdependenzen,
die die jeweiligen Handlungsspielräume sowohl eingrenzen
als
auch erweitern können. Wird die Lozierung der Nutzungen überwiegend von deren
unterschiedlichen Reichweitegrenzen gesteuert, sind es seitens der Nachfrager
deren unterschiedliche (schichtenspezifische) Aktionsreichweiten. Mögliche
Relationen zwischen Reichweiten einerseits und Aktionsreichweiten andererseits
können als Bindeglied zwischen sozialer und funktionaler Segregation betrachtet
werden.
Den
gewählten Analysegang kann man als choristisch-chorologischen Ansatz zur
komplexen Raumerfassung bezeichnen. Damit soll ausgesagt werden, daß die
inhaltsgesteuerte Stadtraumanalyse die raumdistanziellen Abhängigkeiten
städtischer Flächennutzung auf der Basis einer inhaltlichen
Dimensionsoptimierung (inhaltliche Komplexbildung) bei größtmöglicher
räumlicher Differenzierung (räumliche Komplexbildung) anstrebt (Abbildungen
4(1) - 4(3)).
Die
empirische Umsetzung und Überprüfung der Hypothesen erfordert ein
Instrumentarium, das den von der Theorie zu erklärenden Raumstrukturen gerecht
wird. In der vorliegenden Untersuchung wird die Faktorenanalyse mit
orthogonaler Rotation und geschätzten Kommunalitäten in der Hauptdiagonalen
der Korrelationsmatrix als Modell zur Darstellung sozialer und ökonomischer
Hierarchien eingesetzt. Im Anschluß an diese inhaltliche Komplexbildung
(=Dimensionierung des Beobachtungsraumes) liefert die Faktorenwertberechnung
die Abbildung der komplexen Beschreibungsdimensionen in den Beobachtungsraum.
Die Interpretation der extrahierten Faktoren und deren räumlicher Verteilungen
(choristischer Ansatz) gestatten eine erste Überprüfung der
Hierarchiehypothesen zur sozialen Schichtung und zur innerstädtischen
Zentralität. Mit dem Verfahren der Clusteranalyse (Algorithmus nach WARD) kann
die inhaltliche und räumliche Synthese geleistet werden. Auf der Grundlage der
unabhängigen Faktoren werden die Teileinheiten des Untersuchungsraumes zu relativ
homogenen Raumtypen zusammengefaßt, die die sozialräumliche und
wirtschaftsräumliche Gliederung beschreiben. Die Trendflächenanalyse
(chorologischer Ansatz) ermöglicht abschließend eine Klärung der Frage,
inwieweit die räumlichen Verteilungen der Grunddimensionen (empirische
Raummuster) den Modellannahmen (theoretische Raummuster) entsprechen.
Das
Untersuchungsgebiet ist die Stadt Karlsruhe. Als Datenbasis kann auf die Ergebnisse
der Gebäude- und Wohnungszählung 1968, der Volks- und Berufszählung 1970 und
der Arbeitsstättenzählung 1970 auf kleinräumiger Basis (Baublöcke)
zurückgegriffen werden. Eine kurze Darstellung der einzelnen
Stadtwachstumsepochen gibt Hinweise zum räumlichen Wachstum des
Untersuchungsraumes, die notwendig sind, um die Bedeutung historischer
Raumabhängigkeiten zu beurteilen.
Die
empirische Umsetzung erfolgt entsprechend dem dargestellten Ansatz zur
Komplexbildung (Abbildung 4(2)) in drei Analyseschritten.
Die
sozialräumlichen Strukturen der Stadt Karlsruhe können als Ergebnis der
Dimensionierung funktionaler Strukturmatrizen mit drei komplexen Faktoren
(SOZIALSTATUS, FAMILIENSTATUS, DICHTE - Tabelle 7(12)) dargestellt werden, die
prinzipiell den Nachweis sozialer Schichtung und sozialer Segregation
(Hierarchiehypothese) liefern. Die räumliche Verteilung der Faktorenwerte
ordnet den einzelnen Grunddimensionen ein charakteristisches Verteilungsmuster
zu (Karten 2 - 4, Tabelle 7(13)). Diese Raumstrukturen werden durch die
Ergebnisse der Trendflächenanalysen (Abbildungen 7(3) - 7(5)) bestätigt.
Die
Sozialraumstruktur von Karlsruhe basiert auf zehn statistisch abgesicherten und
hierarchisch abgestuften Sozialraumtypen, die drei übergeordneten Raumtypen
(Wohngebiete der Unter-, Mittel und Oberschicht) zugeordnet werden können
(Karte 5, Tabelle 7(16)). Die Verteilungsmuster dieser Sozialraumtypen
entsprechen den postulierten Modellvorstellungen.
Die
wirtschaftsräumlichen Strukturen werden auf drei Dimensionen (VERSORGUNGS-,
CITY-, GEWERBE-/INDUSTRIEFAKTOR) - Tabelle 8(3)) abgebildet, deren Inhalte die
Prozesse funktionaler Segregation bestätigen. Das Standortmuster dieser
Faktoren (Karten 6 - 8, Tabelle 8(4)) zeichnet im wesentlichen einen
zentral-peripheren Nutzungsgradienten nach. Dieser einerseits kontinuierliche
'Bedeutungswandel' (Zentralitätsabnahme vom Stadtzentrum zum Stadtrand -
Abbildung 8(2), Karte 9) kann bei der Ermittlung der Wirtschaftsraumstruktur
andererseits in acht diskrete Wirtschaftsraumtypen aufgespalten werden
(Tabelle 8(7)), die eine Hierarchie innerstädtischer Versorgungsstandorte
beschreiben.
Zum
Nachweis des Zusammenhangs zwischen sozialer und funktionaler Segregation
werden die Strukturmatrizen der partiellen Beobachtungsräume verknüpft
(Abbildung 9(1)) und hieraus der 'totale' Beobachtungsraum selektiert (Tabelle
9(1)). Die sozial- und wirtschaftsräumlichen Strukturen werden anschließend auf
sechs Faktoren (KINDERREICHE FAMILIEN, NEBENZENTREN, BAULICHE/SOZIALE
DIFFERENZIERUNG, ALTE WOHNBEVÖLKERUNG, CITYFAKTOR, OBERSCHICHTWOHNBEVÖLKERUNG
- Tabelle 9(2)) abgebildet, deren räumliche Verteilungen deutlich regelhafte
Ausprägungen aufweisen (Karten 10 - 15, Tabelle 9(3)). Diese Komplexbildung
ermöglicht darüberhinaus eine weitere inhaltliche Differenzierung der
Strukturdimensionen, was sich auch an einem wesentlich feinstrukturierterem
Raumgefüge nachvollziehen läßt.
Die
Wirtschafts- und Sozialraumstruktur der Stadt (Karten 16 und 17) unterscheidet
sechs Raumtypen (Tabelle 9(7)),die in 13 resp. 9 Wirtschafts- und
Sozialraumtypen untergliedert werden können (Tabelle 9(6)), welche die
schichtenspezifische Raumnutzung und die hierarchische Struktur der
Versorgungsstandorte definieren. Ihre räumliche Anordnung folgt zwei polaren Raumgliederungsmodellen,
die zu einem Modell sektoral-zonaler Raumstruktur (Abbildung 9(3))
zusammengefaßt werden können.
Der
abschließende Vergleich der erarbeiteten Raumstruktur mit den Inhalten der
Flächennutzungsplanung der Stadt Karlsruhe (Tabelle 10(1)) konnte zeigen,,daß
die dort formulierten räumlichen Ordnungsvorstellungen im Bereich der
generellen Zielformulierung mit den Arbeitsergebnissen übereinstimmen. Mit
zunehmender Konkretisierung der Planungsziele wird jedoch deutlich, daß
einerseits Zielkonflikte und andererseits Divergenzen zwischen den Modellansätzen
existieren.
Seite 163 -164
RÄUMLICHES
DIFFERENZIERUNGSNIVEAU
Das
Karlsruher Stadtgebiet ist für die amtlichen Zählungen von 1968 und 1970 in
unterschiedliche statistische Raumeinheiten untergliedert:
(Gebietsstand
27.05.1970)
Die
Gesamtheit der 1549 Blöcke wurde in mehreren Bearbeitungsschritten reduziert
werden:
Als
Ergebnis verbleiben 1207 statistische Blöcke mit einer durchschnittlichen
Wohnbevölkerung von 196 Personen.
Karte
1: Karlsruhe : kleinräumige Gliederung
Seite 165 – 191
MERKMALSAUSWAHL
VZ1970 Volkszählung 1970: Tabelle
7 (1)
GWZ1968 Gebäude- und Wohnungszählung 1968 Tabelle 7 (4)
Seite 287 – 294
Wirtschafts- und Sozialraumstruktur
Die
komplexe Raumorganisation der Stadt Karlsruhe, wie sie in der Karte 16 (und zur
Ergänzung der Karte 17) dargestellt wird, zeigt weitgehend charakteristische
Verteilungen der einzelnen Wirtschafts- und Sozialraumtypen. Die im Vergleich
zu den Karten 5 und 9 gegebene Vielfalt, welche zu dem Schluß führen könnte,
statt regelhafter Raummuster mit einem 'Flickenteppich' städtischer
Raumstruktur konfrontiert zu sein, läßt den Sachverhalt der komplexen
Nutzungsdominanz unberücksichtigt. Waren es bei der Sozialraumanalyse jeweils
nur die Flächennutzungskonkurrenzen zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher
sozialer Schichten, bei der Wirtschaftsraumanalyse die unterschiedlicher
ökonomischer Flächennutzer, so werden hier die Ergebnisse eines Wirkungs- und
Prozeßgefüges im Zusammenhang dargestellt.
Bereits
eine erste Orientierung auf den Karten verdeutlicht die angedeuteten
Nutzungsdominanzen. In der Innenstadt dominieren die Raumtypen 2,3 und 4
(Untertypen IV, V, VI und VII) und gleichzeitig existiert ein
zentral-peripherer Nutzungsgradient mit von innen nach außen abnehmender Zentralität
der Standorte.
Die
Raumtypen 1,5 und 6 (Untertypen I, II, III (I*), VIII und IX (VIII), X, XI
(X*), XII und XIII), bei denen sozialräumliche Inhalte überwiegen, sind
gewissermaßen über das verbleibende Stadtgebiet verteilt,wobei eine zonale Raumstruktur
mit sektoraler Überlagerung vorherrscht.
Der
Raumtyp 1 ist nahezu ringförmig an die Innenstadt angelagert und
breitet sich in vier Sektoren über das ältere Stadtgebiet (West-, Südwest-,
Süd- und Oststadt) aus. Da dieser Raumtyp die Standorte der älteren
Wohnbevölkerung definiert,ist erklärt, weshalb diese Innenstadtnähe existiert.
Infolge der Überlageru durch den Sozialstatus lassen sich je nach Wirtschafts-
und Sozialraumtyp Sektoren unterschiedlicher Statuszugehörigkeit
identifizieren. Untertyp I- alte Mittelschicht - beschreibt je einen Sektor vom
Innenstadtrand nach Südwesten und nach Westen.
Beim
Untertyp III erkennt man ebenfalls zwei Sektoren, welche die Süd- und Oststadt,
die alten Stadterweiterungsgebiete mit extrem hoher Alterssegregation, erfaßt.
Diese Sektorstruktur ist allerdings durch das Vordringen tertiärer Nutzungen
schon etwas in Auflösung begriffen. Man kann hier sehr gut nachvollziehen, wie
die Invasion einer Nutzung in ein Teilgebiet Sukzessionsprozesse auslöst, die
über ein Statusabsinken der Wohnbevölkerung im Zeitablauf zur Dominanz von
Nicht-Wohnnutzung führen kann (vgl. hierzu: Raumtyp 3).
Beim
Untertyp II handelt es sich bezogen auf den Sozialstatus um einen
'Zwischentyp'. Die Alterssegregation ist hier wesentlich geringer und man muß
annehmen, daß hier mit Fortschreiten der Wohnbevölkerung im Lebenszyklus ein
Absinken im Sozialstatus zu erwarten ist. Räumlich gesehen koinzidiert der
Untertyp II eher mit III als mit Wirtschafts- und Sozialraumtyp I.
Der
Raumtyp 2 definiert mit seinen Untertypen IV und V Standorte
mittlerer/unterer Stufe. Bei ihrer räumlichen Verteilung ergeben sich
typusspezifische Unterschiede dahingehend, daß Wirtschafts- und Sozialraumtyp
IV sowohl von der inhaltlichen Struktur(vgl. den hohen Mittelwert bei Faktor 5
- 'Cityfaktor') als auch von den Lagemerkmalen die City ergänzt. Die räumliche
zonale Verteilung zeigt einen ausgeprägten zentral-peripheren Gradienten und
ist sektoral (Verkehrsnetz) überlagert.
gebiete
i.e.S., sondern überwiegend um die Randbereiche der ehemals selbständigen
Gemeinden, also um eine heute typische 'Dorf-Vorortrandbebauung'.
Die
inhaltliche 'Unschärfe' des Wirtschafts- und Sozialraumtyps XII dokumentiert
sich auch in dessen räumlicher Ausbreitung. Die regelmäßige Verteilung über
das gesamte Stadtgebiet erlaubt keine Zuordnung zu einer der formalen
Raumstrukturkategorien. Die inhaltliche Interpretation können wir anhand des
Verteilungsmusters insoweit ergänzen, daß dieser Untertyp statusbezogene
Variationen seiner Wohnbevölkerung je nach der räumlichen Nähe zu anderen
Wirtschafts- und Sozialraumtypen aufweisen wird. Diese Vermutung stützt sich
auf die Ergebnisse der Sozialraumtypisierung in Kapitel 7:
Der
Wirtschafts- und Sozialraumtyp XIII ist als Standort der jungen
Oberschichtwohnbevölkerung sektoral verteilt und bildet gewissermaßen die
räumlichen 'Wachstumsspitzen' der städtischen Wohnbevölkerung 1) (Turmbergrand,
Waldstadt, Rüppurr und Nordweststadt).
Zusammenfassend
stellt sich die Wirtschafts- und Sozialraumstruktur von Karlsruhe wie folgt
dar (vgl. Tabelle 9(7)):
Auf
der Basis von sechs wirtschafts- und sozialräumlichen Grunddimensionen (vgl.
Tabelle 9(3)) können 13 resp. 9 Wirtschaftsund Sozialraumtypen
herausgearbeitet werden,die als Untertypen von sechs übergeordneten Raumtypen
interpretiert werden können.
Die
Raumtypen 1,5 und 6 differenzieren das Stadtgebiet im Hinblick auf
statusspezifische Wohnstandorte und bestätigen die Hypothese (H5) zur
schichtenspezifischen Raumnutzung. Die Raumtypen 2,3 und 4 definieren die
hierarchische Struktur der innerstädtischen Versorgungsstandorte. Insgesamt
gesehen kann die Analyse zur Wirtschafts- und Sozialraumstruktur - aufgrund der
inhaltlichen Komplexität zwar inhaltlich und räumlich wesentlich differenzierter
- die Ergebnisse der partiellen Analysen der Kapitel 7 und 8 bestätigen.
Fußnote
1) Genau im Sinne der Modellannahmen von HOYT (1939 - zitiert nach FRIEDRICHS
1977): "Die räumliche Verlagerung von Wohngebieten hoher Miete ist für das
Wachstum einer Stadt von größter Bedeutung, weil Wohngebiete hoher Miete das
Wachstum der Stadt in ihre Richtung ziehen."
Wirtschafts-
und Sozialraumtyp V ist in Clustern über das Stadtgebiet verteilt, wobei sich
diese Verteilung an den Standorten junger, statushoher Wohnbevölkerung
orientiert. Bei diesem Untertyp handelt es sich vorwiegend um
Nachversorgungszentren für den täglichen Bedarf, welche in neu errichteten
Wohngebieten (z.B.: Bergwaldsiedlung und Waldstadt) entstanden sind.
Diese Differenzierung der beiden Untertypen IV und V in inhaltlicher
und räumlicher Art bestätigt die Annahmen in den Hypothesen «H16), (H18),
(H19), (H20/1+2) und (H21»: : Die innerstädtischen Konzentrations- und
Agglomerationsprozesse, führen neban Bevölkerungsverteilungen zu Veränderungen
der Standortmerkmale im Innenstadtbereich,aus denen weitergehende räumliche
Differenzierungen zentraler Funktionen resultiert. Angebotsstandorte mit
'reinen' Gütern des täglichen Bedarfs entfernen sich mehr und mehr vom
Stadtkern. Diese Umverteilungen führen dann zusammen mit den oben
angesprochenen Bevölkerungsumverteilungen zur Bildung von cityfernen zentralen
Standorten.
Raumtyp
3 (Wirtschafts- und Sozialraumtyp VI) bildet vom Cityrand nach
Osten, Süden und Westen sich erstreckende Sektoren, die weitgehend der
räumlichen Verteilung des Faktors 2('Nebenzentren') entspricht. Diese
Subzentren befinden sich in den alten Stadterweiterungsgebieten, die
gleichzeitig Standorte überalterter, statusniedriger Wohnbevölkerung sind.
Bezugnehmend
auf den bereits angesprochenen zentral-peripheren Nutzungsgradienten, welchem
ein ebensolches Bodenpreisgefälle 1) zugrunde liegt, lagert sich der Raumtyp 3
folgerichtig in einer weiteren Zone an die Innenstadt an.
Raumtyp
4 basiert auf den Inhalten des Cityfaktors und befindet sich fast
ausschließlich in dem Bereich, der das Hauptgeschäftszentrum darstellt. Die
räumliche Ausprägung entspricht der des inhaltlich nahezu identischen Raumtyps
1der partiellen Analyse zur Wirtschaftsraumstruktur (vgl. Kap. 8.2.3 und Karte
9), so daß auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.
Fußnote
1) Vgl. hierzu die Lagewerte (Richtwerte) des Gutachterausschusses der Stadt
Karlsruhe, die alljährlich öffentlich bekanntgegeben werden.
Die
inhaltliche und räumliche Identität dieser beiden Raumtypen (inhaltliche und
räumliche Invarianz) unterstreicht die aus Spezialisierung und funktionaler
Segregation resultierende Dominanz dieser Nutzung (höchst zentraler Standort)
gegenüber den anderen Nutzungsarten (vgl. (S19)-(S21) und (H16)).
Raumtyp
5 ist im wesentlichen eine Kopie der Verteilung der hohen Werte
der Dimensionen 'Kinderreiche Familien'. Die Clusterförmige Raumstruktur
reproduziert die Standorte des sozialen Wohnungsbaus. Die Homogenität der
Altersstruktur bestätigt Hypothese (H9).
Der
Wirtschafts- und Sozialraumtyp IX ist durch allerhöchste Alters- und
Statussegregation ausgezeichnet und stets nur in Bereichen mit
Nachkriegsbebauung anzutreffen. Sein hoher Segregationsgrad zeigt Parallelen
zum Wirtschafts- und Sozialraumtyp XIII, der allerdings polare
Statuscharakteristik aufweist. Dies bestätigt die Aussagen in Hypothese (H6).
Beim
Subtyp VIII ist die Segregation vergleichsweise schwächer ausgeprägt,aber
dennoch überdurchschnittlich. Beide Untertypen koinzidieren und ihre
Verknüpfung zum neuen Wirtschafts- und Sozialraumtyp(VIII*)dokumentiert
die räumlichen Gemeinsamkeiten auf inhaltlicher Ebene.
Raumtyp
6 ist ähnlich wie Raumtyp 1 sektoral ausgebildet. Er
unterscheidet sich von diesem jedoch bezüglich der Distanz seiner
Sektorsegmente vom genetischen Zentrum der Stadt (vgl. Hypothesen (H11) und
(H12): die schichtenspezifische Segregation ist sektoral ausgeprägt und wird
von der Stellung der Wohnbevölkerung im Lebenszyklus zonal überlagert). Die
Wirtschaftsund Sozialraumtypen X und XI (X*) sind - wie Untertyp
XIII - eindeutig sektoral verteilt und unterscheiden sich inhaltlich nur
bezüglich der Dimension 'Sozialstatus'. Subtyp XI (gehobene Mittelschicht)
dominiert in älteren Teilen der neuen Stadterweiterungsgebiete (Waldstadt,
Rüppurr (Märchenring), Turmbergrand und Teilen der Weststadt). Wirtschafts- und
Sozialraumtyp X dominiert in den Außenbezirken der Stadt. Hierbei handelt es
sich allerdings nicht um neue Stadterweiterungs-
Die
räumliche Verteilung der Raumtypen folgt formal gesehen zwei polaren
Raumgliederungsmodellen. In den Karten 16 und 17 beobachten wir eine zonale
Gliederung im Sinne der Modellannahmen von BURGESS. In Analogie zu den
Intensitätsringen des Modells von VON THÜNEN erkennen wir ein Intensitätsgefälle
tertiärer Nutzungen von der Stadtmitte zum Stadtrand (vgl. Abbildung 8(2)),
welches in Parallelität mit einem Altersgradienten verläuft. Diesem Gradienten
entgegengesetzt stellt die Statuszugehörigkeit der Wohnbevölkerung eine
Umkehrung dieses Intensitätsgefälles dar.
In
gleichem Maße erkennen wir auch eine sektorale Gliederung im Sinne der
Modellannahmen von HOYT, die auf dem Wohnstandortverhalten der statushohen
Wohnbevölkerung beruht und in Abhängigkeit von den Verkehrsleitlinien gesehen
werden muß. Der zuletzt genannte Aspekt beeinflußt die räumliche Ausbreitung
tertiärer Nutzungen ebenfalls.
Die
räumliche Verteilung der Raumtypen (1-6) der wirtschaftsund sozialräumlichen
Gliederung der Stadt Karlsruhe kann somit in einem Modell sektoral-zonaler
Raumstruktur abgebildet werden, wobei in den einzelnen Zonen, Sektoren resp.
Segmenten die jeweils dominierende Nutzung angegeben ist (vgl. Abbildung
9(3)).
In
Abbildung 9(3) können folgende Zonen, Sektoren resp. Segmente dominierender
Nutzung unterschieden werden:
Zonen
(1) - (3): überwiegend tertiäre Nutzung
Zonen
(4) - (5): überwiegend Wohnnutzung
Zone (1) : Cityzone
- Subtypen VII und IV.
Zone (2) : Übergangsbereich
(Cityergänzung) - Subtypen IV und VI.
Zone (3) : Subzentrenbereich
mit überwiegend älterer Wohnbevölkerung, die statussegregiert unterschiedliche
Sektorsegmente belegt - Subtypen IV sowie I, II, III (ältere Wohnbevölkerung)
und XI.
Der
Bereich der Zonen (1) - (3) entspricht ungefähr der Ausdehnung der Stadt um
1880.
Abbildung 9(3)
Zonen
(4)+(5) .
Hier dominieren die Inhalte der sozialökologischen
Grunddimensionen, die ein sektorales Raummuster erzeugen. Diese Sektoren sind
durch den von innen nach außen abnehmenden Altersgradienten stellenweise zonal
untergliedert - Subtypen I-III, V, IX, X, XI, XII, XIII. Die Sonderstellung von
Durlach als singulärer Kern kommt deutlich zum Ausdruck.
Tabelle 9(7)
Wirtschafts-
und Sozialraumstruktur in Karlsruhe
|
Inhaltliche
Ausprägung |
Räumliche
Ausprägung |
|
|
|
RAUMTYP
1 |
MITTLERER
STATUS |
SEKTORAL |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp I |
alte
Mittelschicht |
sektoral |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp II |
Mittelschicht |
sektoral |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp III |
alte
untere Mittel Unterschicht - |
sektoral/clusterförmig
|
|
|
|
RAUMTYP
2 |
ZENTRALE
STANDORTE |
CLUSTER-SEKTORSTRUKTUR |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp IV |
mittlere
Stufe (A) |
Cityergänzungsbereiche
|
Wirtsch.+
Sozialraumtyp V |
untere
Stufe |
Nahversorgungsbereiche
|
|
|
|
RAUMTYP
3 |
ZENTRALE
STANDORTE |
SEKTOR-CLUSTERSTRUKTUR |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp VI |
mittlere
Stufe (B) |
Subzentren
|
|
|
|
RAUMTYP
4 |
ZENTRALE
STANDORTE |
CLUSTERSTRUKTUR |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp VII |
höchste
Stufe |
Citybereich
|
|
|
|
RAUMTYP
5 |
UNTERER
STATUS |
CLUSTERSTRUKTUR |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp VIII |
junge
untere Mittelschicht |
'Neue'
Wohngebiete des sozialen Wohnungsbaus |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp IX |
junge
Unterschicht, |
|
|
|
|
RAUMTYP
6 |
GEHOBENER
STATUS |
SEKTORSTRUKTUR |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp X |
untere
Mittelschicht |
sektoral
|
Wirtsch.+
Sozialraumtyp XI |
gehobene
Mittelschicht |
sektoral |
Wirtsch.+
Sozialraumtyp XII |
'breite,ungeschichtete
Mitte' |
|
Wirtsch.+
Sozialraumtyp XIII |
junge
Oberschicht |
sektoral
(peripher) |